Clive Mitten – Tales from a Misspent Youth Vol. 1

(60:53, 64:24, CD, Bumnote Records/Just for Kicks, 2022)
Er hat es wieder getan. Nachdem völlig überraschend im letzten Jahr sein erstes Solowerk mit dem Titel “Suite Cryptique – Recomposing Twelfth Night“ erschien, legt Clive Mitten gleich mit dem nächsten Doppelalbum nach. Zwar geht es auch hier wieder um überarbeitete Versionen, aber diesmal dreht es sich nicht mehr um seine Hausband Twelfth Night, sondern er wagt sich ausschließlich an alte Klassiker, und das kann natürlich bei solch einem Ein-Mann-Projekt ordentlich in die Hose gehen. Tut es aber nicht.

Man wird mit den Dinosauriern der 70er konfrontiert, mit denen sich der Künstler hier auseinander setzt und die er offenbar schon seit frühester (misspent) Jugend verfolgt.
Einer von vielen Pluspunkten dieses Albums sind die Covergestaltung und die sehr ausführlichen Liner Notes, die absolutes Lesevergnügen bereiten. Denn sie sind von einem sehr typischen Humor geprägt. Das Bild eines Gitarre spielenden jungen Musikers sollte allerdings nicht falsche Erwartungen schüren, denn der Bassist und Multiinstrumentalist Mitten hat hier ausschließlich mit Keyboards und Samples gearbeitet.

Und wie er hier die unterschiedlichsten Songs orchestriert hat, ist bemerkenswert. Was leicht ins Peinliche oder Kitschige abrutschen kann, ist hier durchweg toll gelungen und eine Freude für jeden Fan, der sich die unten aufgeführten Prog-Hits auch in reinem Keyboard-Umfeld vorstellen kann. Das bedeutet natürlich, dass der Gesang, den man sich bei manchen Songs dann im Geiste vorstellt, auch hier von den Keyboards übernommen wird.

Der Protagonist führt sehr detailliert zu den einzelnen Songs auf, wie er dies umgesetzt hat, und alleine vom Lesen her mag bei dem einen oder anderen das Interesse geweckt sein. Wer es aber unbedingt mit Rock-Gitarren etc. haben muss, liegt dann hier allerdings ganz offensichtlich falsch.

Was bzw. wer ist also nun zu hören? Neben radiokompatiblen Hits auch Longtrack-Klassiker, die dann auch mit den entsprechenden Laufzeiten umgesetzt wurden. Im einzelnen sind dies:

Pink Floyd: Shine on you crazy diamond und echoes
Peter Gabriel: Games without frontiers und Solsbury hill
Genesis: Supper’s ready und ein In the cage Medley, der mit Afterglow abschließt.
Rush: Xanadu, Countdown und La Villa Strangiato
Supertramp: Rudy, School und Bloody well right
Mike Oldfield: Tubular bells, part one
Jethro Tull: Living in the past

Ob jetzt ein Magnum Opus wie ‘Supper’s ready’ oder ein kurzes Stück wie das wunderbar mit Vibraphon-ähnlichem Sound umgesetzte ‘Living in the past’, Clive Mitten versteht es, die anspruchsvollen Titel variantenreich und farbenfroh in Szene zu setzen. Seine Jugend und die Prog-Szene betreffend war Clive also mittendrin, statt nur dabei. Da kann man in Anlehnung an den Albumtitel nur sagen, man kann seine Jugend mit deutlich schlimmeren Dingen vergeuden.
Und da es sich beim vorliegenden Album um Teil 1 handelt, darf für die Zukunft ein weiteres Doppelalbum erwartet werden, dann vermutlich mit Titeln von Yes, Gentle Giant, King Crimson, Van der Graaf Generator. Die Wunschliste ist diesbezüglich sehr groß. Wir sind sehr gespannt!
Bewertung: 12/15 Punkten (JM 12, KR 12)

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Abbildungen: Clive Mitten