Star One – Revel In Time

(66:42, 2-CD/Digital/LP/Box Set, Inside Out/Sony, 2022)Star One - Revel In Time (IOM/Sony, 18.02.22)
Zwölf Jahre sind seit dem kommerziell – zu Unrecht – etwas untergegangenen letzten Star-One-Album “Victims Of The Modern Age” ins Land gezogen. Tatsächlich hätten wohl die meisten keinen Cent mehr auf eine Fortsetzung von Arjen Anthony Lucassens Melodic-Metal-Projekt gesetzt, speziell, da mit Alben wie “The Source” auch beim Stammprojekt Ayreon die Härteschraube für eine ganze Weile deutlich angezogen worden war. Doch nach dessen sehr text- und gesangslastigen, mit vielen Musical-Elementen ausgestatteteten letzten Breitwand-Mega-Opus “Transitus” kann man durchaus verstehen, dass es Arjen einfach mal wieder nach ordentlich Gitarren-Riffpower dürstete – und da hilft dann offensichtlich nur eine ordentliche Portion Space Metal.

Allerdings wurde das Konzept von Star One ein wenig angepasst. Klar, die Basis bleibt progressiver Melodic Metal mit elaboraten Gesangsarrangements, schweren Riffs und fetter Hammondorgel. Waren aber auf den Vorgängern (mit Ausnahme von Bonus-Tracks) alle Songs mit einer festen Band eingespielt, gibt es hier eine ähnliche Gästeliste wie auf den Ayreon-Alben. Damian Wilson, Floor Jansen, Dan Swanö und Russell Allen, die auf den ersten beiden Alben den Leadgesang untereinander aufgeteilt hatten, sind zwar immer noch mit von der Partie, genau wie Drum-Tier Ed Warby. Dazu kommen allerdings jede Menge weitere prominente Stimmen – von Neuzugängen im Ayreonverse wie Jeff Scott Soto, Ross Jennings (Haken), Joe Lynn Turner (Rainbow) und Brittney Slayes (Unleash The Archers) bis hin zu Ayreon-Veteranen wie John Jaycee Cuijpers (Praying Mantis), Roy Khan (Conception, ex-Kamelot) und dem erfreulicherweise mittlerweile unumgänglichen Mike Mills (Toehider).

Der größte Unterschied ist diesmal, dass die Vocals nicht als Duette (Terzette, Quartette) aufgeteilt sind, sondern (fast) jeder Sänger seinen Song komplett alleine singt. Diverse Instrumental-Solisten wie Michael Romeo (Symphony X), Steve Vai, Joel Hokstra (Whitesnake) und die als Moog-Zauberin auf YouTube bekannt gewordene Lisa Bella Donna runden das abwechslungsreiche Bild ab. Auf der Bonus-CD gibt es dann die gleichen Songs nochmal mit anderen Sängern zu hören: dort tauchen auch mit Marcela Bovio, Irene Jansen, Wilmer Waarbroek und nicht zuletzt Arjen himself auch alte Bekannte auf, die im “Hauptwerk” diesmal stimmlich nicht vertereten sind. Besonders schade, dass der Beitrag von Tony Martin (ex- Black Sabbath) es – wie schon auf “Victims Of The Modern Age” – erneut “nur” ins Bonusmaterial geschafft hat.

Allerdings hätte es diese beeindruckende Menge an Gästen eigentlich gar nicht gebraucht: die elf Songs stehen auch für sich genommen schon als ausreichend starkes Gesamtwerk und kommen trotzdem mit viel Bandflair – ja, die Star-One-Songs schreien auch im dritten Anlauf einfach nach einer Live-Umsetzung. Ob Schnelles mit Double-Bass wie der Opener ‘Fate Of Man’ oder Episches mit Rainbow-Flair wie ‘Edge Of It All’ , das komplette Album macht einfach Laune und klingt trotz seiner progressiven Schlenker und virtuosen Instrumentalarbeit herrlich unkompliziert. Und zum Abschluss trifft Arjen mit dem Zehnminüter ‘Lost Children Of The Universe’ die exakte Mitte zwischen Deep Purples ‘Child In Time’ und Black Sabbaths “Tyr”-Album, abgeschmeckt mit einem Wahnsinns-Vai-Solo direkt aus einer anderen Bewusstseinsebene.

Man mag es ja schon gar nicht mehr schreiben, aber es ist einfach immer wieder unfassbar, wie es Arjen Lucassen seit – mindestens! – dem “Arabia”-Album von Vengeance schafft, regelmäßig neues Material auf den Markt zu bringen, das einerseits immer urtypisch, andererseits aber auch immer wieder abwechslungsreich genug klingt und qualitativ keinerlei Abnutzungserscheinungen zeigt. Auf einem ähnlichen Niveau agieren derzeit nur noch Steven Wilson und Devin Townsend, die ja ebenfalls diverse Projektnamen nutzen, um die unterschiedlichen Facetten ihrer Kreativität auszuleben. Egal, ob Ayreon, Star One oder Arjens eigener Name draufstehen: das Ergebnis bleibt eben immer etwas Besonderes.
Bewertung: 12/15 Punkten (SG 12, KS 10)

Surftipps zu Arjen, Ayreon etc.:
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Wikipedia (Arjen)
Wikipedia (Ayreon)
Arjen im betreuten Interview 2017
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Rezension The Gentle Storm “The Diary”
Rezension “01011001” (2008)
Konzertbericht Star One, 2002, Bochum, deutsch
Live review Star One, 2002, Bochum, english

Abbildungen: A.A. Lucassen / InsideOut Music