Godsticks – Inescapable

(50:20, Vinyl/CD/Digital, KScope, 2020)
Sich selbst immer wieder neu zu erfinden und einer Linie treu zu bleiben müssen keine Gegensätze sein. Das ideale Exempel für diese These statuiert die walisische Band Godsticks. Das Quartett aus Cardiff versteht es perfekt, den eigenen Stil von Release zu Release zu modifizieren, zu optimieren. Und trotz jeder weiteren Episode im Verlauf dieser konstanten Entwicklung haben sie diesen Sound, den die Zuhörenden direkt den Godsticks zuordnen können. Nachdem die 2015er Platte “Emergence” eine starke Ausrichtung zum technischen Prog Metal zu Tage legte, ist das 2017er Album “Faced with Rage” eher durch Industrial- und Progressive-Metal-Einflüsse im Gedächtnis geblieben. Das neue Jahrzehnt beginnt vorzüglich für Liebhaber von Prog und Alternative Metal, denn das Londoner Label KScope vertreibt das neueste Werk der Godsticks “Inescapable”.

Für ihren neuesten Streich hat sich die Band um Darran Charles zum Ziel gesetzt, thematisch einheitlich zu bleiben, ohne dabei ein Konzeptalbum aufzusetzen. Vielmehr sind es neun voneinander unabhängige Episoden psychischer Probleme, innerer Dämonen und damit verknüpfter Konflikte mit der Außenwelt, denen sich “Inescapable” widmet. Die Vertonung dieser selbstreflektierenden und anschaulichen Narrative erfolgt melodischer als Godsticks es zuvor praktiziert haben. Die technisch anspruchsvollen und zumeist mit metallener Härte hervorgebrachten Lieder werden durch symphonisch erklingende Harmonie verziert, welche vorrangig den Ton des Albums bestimmt.

Mit faszinierender Feinfühligkeit weben Godsticks anmutige Melodien in das raue Geflecht aus metallenen Riffs. Dabei verlieren weder Metal noch Melodie an Intensität. Wie im perfekten Schnitt treffen sich nach vorne preschender Alternative Metal und melodisch ausgeklügelter Prog Rock. Das Ergebnis ist intelligentes Werk vorzüglicher Gitarrenmusik, das sowohl Freunde härterer Klänge als Symphonie-Begeisterte in seinen Bann ziehen kann.

Hinter dem fulminanten Werk aus Instrumentalkunst steckt darüberhinaus ein Album voller großartiger Lyrik. Die Texte auf “Inescapable” behandeln nüchtern und ohne Herumgedruckse Themen, die viel zu präsent sind, um unausgesprochen zu bleiben: Verunglimpfung, Marginalisierung, Isolation, schwindender Wille weiterzumachen, Überforderung, oder auch das Bedürfnis sich aus der Welt der Zahnräder zurückzuziehen. Godsticks nennen beim Namen, was viele kennen, ohne deprimierend zu klingen. Ganz im Gegenteil: die Lyrics auf “Inescapable” machen Mut und motivieren, sich den inneren Dämonen zu stellen.

Teapot of the Week
“Teapot of the Week” auf Betreutes Proggen in der KW8/2020

Schlussendlich haben die Godsticks mit “Inescapable” ein vorzügliches Album auf den Teller gelegt, das ohne Zweifel bisher die stärkste Veröffentlichung der Waliser ist. Mit einem Sound der irgendwo zwischen Nevermore und IQ angesiedelt ist, aber beide übertrifft überzeugen Godsticks vom ersten bis zum letzten Klang. “Inescapable” ist melodisch, ermutigend, intelligent, schwer, und einfach großartig.
Bewertung: 13/15 Punkten (RG 13, KR 13)

Wer im Frühjahr im Vereinigten Königreich unterwegs ist, kann hier die neuen Stücke auf der Bühne erleben:
2/4/2020 – Cardiff – Fuel Rock Club
3/4/2020 – London – Black Heart
4/4/2020 – Edinburgh – Opium
5/4/2020 – Manchester – Gullivers

Line-up:
Darran Charles – Gesang, Gitarre, Keyboards, Synthesizer
Dan Nelson – Bass
Gavin Bushell – Gitarre
Tom Price – Schlagzeug
Daniel Tompkins – Hintergrundgesang auf ‘Denigrate’

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Konzertbericht 2014, Köln, m. The Aristocrats
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