Marquette – Human Reparation

HumanReparation_cover(78:46, CD, Eigenverlag, 2015)
Hinter dem Namen Marquette verbirgt sich der Musiker Markus Roth, der hier nach dem kürzlich besprochenen exzellenten Aeneas-Album ein weiteres aktuelles Highlight aus der deutschen Prog-Szene vorlegt. Sein in feiner Digipack-Aufmachung präsentiertes Erstlingswerk verdient höchsten Respekt, das wird schon nach dem ersten Durchlauf deutlich.

Warum der Name Marquette? Im Booklet erläutert Roth, wie er darauf gekommen ist. Es geht nämlich um eine Reihe an Automobilen, die zwischen 1929 und 1931 von Buick hergestellt wurde. Eine Reihe, die mit Fehlern behaftet war, wo aber jeder Wagen seine eigene, spezielle Besonderheit hatte.
Und so sieht er dies auch mit seiner Musik. Sie mag nicht ganz perfekt sein, aber jeder Song besitzt seine Eigenheit.

Der Titel des Albums wiederum geht zum einen auf eine derart genannte Gruppe deutscher Wissenschaftler zurück, die nach dem zweiten Weltkrieg von den USA bzw. der damaligen UdSSR rekrutiert wurden, um militärische Technologie weiter zu entwickeln. Zum anderen bezieht sich der Titel auf die Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens im Allgemeinen und die Schwierigkeit, wieder zurückzukommen, wenn man erst einmal angeschlagen ist.

Zur Musik: Roth versteht es ausgezeichnet, Gesangsnummern und rein instrumentale Tracks so zu vermischen, dass das Album wie aus einem Guss wirkt. Was auch nicht selbstverständlich ist, zumal durchaus teils unterschiedliche musikalische Ansätze verfolgt werden. Im Wesentlichen handelt es sich um flott gespielten RetroProg, in den auch mal moderat härtere Passagen eingebaut werden, gerne auch mal mit etwas aggressiveren Vocals versehen. Allerdings ist festzuhalten, dass der Gesangsanteil gar nicht mal so hoch ist. Es gibt viele Instrumentaltitel, die mal als mittellange Progsongs oder auch als kurzes Piano-Intermezzo wie in ‘Adam und Eva‘ daherkommen.

Markus Roth spielt Tasteninstrumente, Schlagzeug, Gitarren, und ist für einige Gesangsparts, Kompositionen und Produktion verantwortlich und wird dabei hauptsächlich von Achim Wierschem unterstützt, der exzellente Beiträge an der Gitarre abliefert, aber auch Tastenarbeit beisteuert und an den Kompositionen zum Teil mitwirkte.

Schon der Opener ‘Mystery Train‘ reißt mit. Flotte Gitarre, hymnische Keyboards, da wird gleich eine erste beeindruckende Duftmarke gesetzt. Und auch im weiteren Verlauf ist diese Art von Härte, die den ProgMetal Bereich streift, in Verbindung mit symphonischer Grundausrichtung ein typisches Merkmal für Marquette. Der darauffolgende Song zeigt, dass Roth auch ein Händchen für Kompositionen im Melodic Rock Bereich besitzt. Die Hookline besitzt Ohrwurmcharakter, der Gesang klingt bisweilen etwas aggressiv, flirrende Synthesizer lockern die Nummer auf. Auf die härtere Ausrichtung folgt als krasser Gegensatz gleich das bereits erwähnte Pianosolo. Und rein instrumental geht es auch im 9½-minütigen ‘The Mirror‘ weiter, wo Gitarre und Tasten abwechselnd in führender Rolle agieren. Ganz starke, abwechslungsreiche Nummer, in der Roth und Wierschem mustergültig zeigen, dass sie exzellent miteinander harmonieren!

Auch ambiente Passagen oder leichte Jazzrock-Ausflüge sind geschickt ins Gesamtkonzept untergebracht. Spezielle Erwähnung sollte sicherlich die exquisite Gestaltung der Gitarrenarbeit finden. Den Namen Wierschem kennen Beobachter der deutschen ProgRock Szene von Projekten wie Flaming Bess oder Mindmovie. Er bringt sich auf diesem Album nachhaltig ein, was den Songs definitiv zu Gute kommt.

Die Albumlänge ist fast komplett ausgereizt, was gerne mal den unschönen Nebeneffekt besitzt, dass der Künstler zu viel wollte und es darin endet, dass irgendwann mal eine gewisse Eintönigkeit aufkommt. Das ist hier nicht der Fall – es gibt keine Durchhänger, und wenn spezielle Songs als Anspieltipps genannt werden sollen, fällt die Auswahl wirklich schwer. Sicherlich gehört der Opener dazu, natürlich auch der 18-minütige Longtrack ‘Lost At Sea‘ (und das nicht nur, weil er so lang ist…) , oder auch der exzellente, schmissige Instrumentaltitel ‘Cancer‘. Als Gesangsnummer überzeugt auch das leicht Neoprog-angehauchte ‘The Last Kiss‘, auf dem Karsten Frohn als Sänger einen guten Beitrag liefert. Das Schlagzeug ist übrigens programmiert, was ja meist eher eine Notlösung ist, doch hier fällt es kaum negativ ins Gewicht.

Alles in allem toller moderner Prog, in dem auch mal Momente aufblitzen, in denen kurz Pink Floyd, Manfred Mann’s Earth Band oder Alan Parsons Project in den Sinn kommen. Andererseits aber auch wieder Prog der Marke Haken etc. Glasklare Empfehlung! Macht Lust auf mehr!
Bewertung: 12/15 Punkten (WE 11, JM 12)

Surftipps zu Marquette:
Homepage
YouTube
iTunes
mindmovie.org (Achim Wierschem)
Facebook (Mindmovie)
Soundcloud (Mindmovie)
www.flaming-bess.de (Achim Wierschem)