Interview
(Progressive Newsletter Nr.40 06/02)
Ausschnitte des Interviews mit Philipp Jaehne (Keyboards) und Phil Griffiths (Gesang)
Philipp Jaehne: Das läuft alles sehr erfreulich. Die Produktionskosten sind jetzt schon fast eingespielt. Die Rückmeldung von Reviewern und Hörern ist ebenfalls sehr, sehr positiv. Die meisten betonen die Entwicklung und den Fortschritt gegenüber dem letzten Album. Allerdings gibt es auch ein paar, die das neue Album zwar gut finden, denen "Summerland" aber immer noch besser gefällt. Ich muss sagen, dass mich das durchaus freut, da mir an "Summerland" immer noch viel liegt.
„Leap into fall“ ist ja der derzeitige "Stand der Dinge" einer Entwicklung, die mit „Summerland“ begonnen hat - freilich wird der Bezug zu den ersten beiden Alben „Free to random“ immer lockerer. Wird es wieder eine Rückbesinnung auf die ersten beiden Alben geben, eine Art "Free to random Vol. 3"?
Philipp Jaehne: Irgendwann ganz sicher. Im Moment sammeln wir lose Ideen. Da ist auch einiges dabei, was eher in Richtung "Free to random" geht. Wird aber wohl noch ein bisschen dauern, bis wir diese Ideen weiterverfolgen. Der Schwerpunkt liegt im Moment eindeutig auf der Arbeit mit dem Line-up von „Leap into fall“. Solange diese Besetzung, die musikalisch und menschlich einfach optimal passt, zusammen ist, müssen wir das einfach ausnutzen und so viel wie möglich zusammen einspielen.
Eine der dümmsten und klügsten Fragen, die man stellen kann ist, warum ihr das macht, was ihr macht. Was für eine Motivation steckt hinter PGM? Könnte man nicht mit anderen Dingen wesentlich erfolgreicher sein?
Philipp Jaehne: Was heißt Erfolg? Es gibt über die ganze Welt verteilt Leute, die irgendwie auf uns aufmerksam werden, die unsere CD kaufen oder auch nur ein, zwei Stücke downloaden. Wir bekommen Mails von Leuten, die wir nie gesehen haben und nie sehen werden, die sich für unsere Musik bedanken. Mit einigen kann ich auch ein paar Mal hin und her mailen und unsere Musik diskutieren, z.T. auch kritisch, was will ich denn mehr? Ob wir dabei 500 CDs verkaufen oder 500.000 ist doch relativ egal. Davon leben wollten wir eh nicht. Außerdem merke ich immer wieder: es freut mich natürlich, wenn eine CD-Bestellung reinkommt, es freut mich noch mehr, wenn sich ein Hörer meldet und uns sagt, dass ihm die Musik gefällt. Aber nichts von dem kommt an die Momente ran, wenn die Musik entsteht, wenn sich ein paar skizzenhafte Ideen auf einmal zu einem Stück zusammensetzen. Diese Momente werden wir immer haben, auch dann wenn sich irgendwann mal kein Mensch mehr für uns interessiert. So gesehen können wir also nicht erfolgreicher sein, als wir es im Moment sind.

Was erwartet eurer Meinung einen Hörer, der eure Musik nicht kennt, wenn er zum ersten Mal eure Alben hört?
Philipp Jaehne: Oh Gott. Das hast Du doch so schön beschrieben, was fragste mich das denn? Ich hab neulich was gelesen, das hat mich sehr gefreut, weil es ein Merkmal unserer Musik, glaube ich, sehr gut trifft. Diese Musik könnte man einfach nur im Hintergrund laufen lassen, ohne gleich die Gäste zu verscheuchen, man könnte aber auch sehr genau zuhören und würde auch beim tausendsten Hören immer noch was Neues entdecken. Unsere Stücke sind nicht so offensichtlich vertrackt und kompliziert wie so vieles im Prog, sondern bleiben meist fließend, das Komplizierte bemerkt man auf den ersten Blick noch gar nicht.
PGM spielt ja eine recht eigene Mischung aus komplexen Strukturen mit einem federleichten progressive Rock Sound. Ist dies das Ergebnis des Antagonismus Jaehne vs. Griffiths? Wer prägt den Sound der Band am meisten? Und wer zeichnet sich hauptsächlich für die Kompositionen verantwortlich? Und wie groß ist der Beitrag der anderen in der Band?
Philipp Jaehne: Na, da ist ja wieder Deine wunderschöne Beschreibung unserer Musik, und da muss ich mir vorhin den Kopf zerbrechen. Einen Antagonismus Philip <-> Philipp sehe ich bei PGM eigentlich nicht. Höchstens insofern, als dass Philip eher kompakte Songs favorisiert, während Stefan und ich uns unsere freien Instrumentalpassagen nicht nehmen lassen. Philip quittiert das immer mit einem "naja, wenn's Euch halt gefällt ..." Um die restlichen Fragen zu beantworten, muss man unsere Arbeitsweise kennen: Die Grundideen und die Grundstruktur eines Songs stammen immer von Stefan und mir. Erst wenn das schon einigermaßen Formen angenommen hat, legen wir es den anderen vor und dann geht der Arrangierkreislauf los. Die Beiträge von Ludwig und Dennis und vor allem natürlich Philips Gesangslinien haben zwangsläufig Auswirkungen auf die Grundstruktur: eine Strophe ist zu kurz, ein Refrain klingt ganz nett, man kann aber leider nicht drüber singen, der Bass hat eine tolle Linie gefunden, die beißt sich aber mit einer Keyboard-Stimme, also fliegt die raus usw. Wenn alles fertig ist, ist es aber natürlich doch der Gesang, der am Prägendsten für uns ist. Ganz egal, wie man arbeitet, wer was beigetragen hat, am Ende ist es der Gesang, der im Vordergrund steht und der charakteristisch für eine Band ist. Ich "beklage" mich darüber immer - "wir machen die Arbeit, der Sänger kriegt das Lob", bin in Wirklichkeit aber heilfroh, dass wir diesen Sänger haben.

Wenn die "Alias Eye"- Achse aus Zeitgründen aus dem PGM- Projekt ausscheiden müsste, wäre die Lücke heute noch zu füllen, soll heißen, wie essentiell sind Phil und Ludwig für das Projekt?
Philipp Jaehne: Das wäre der Punkt, an dem es ganz sicher zurück zu "Free to random" ginge. Einen anderen Drummer würde man vielleicht noch finden - wobei es nicht leicht wäre, einen zu finden, der so gut arbeitet und so zu uns passt wie Ludwig - aber Philip wäre nicht zu ersetzen. Ich kann mir nicht vorstellen, das wir das überhaupt versuchen würden. Allerdings wäre das nicht das Ende von Poor Genetic Material, Stefan und ich machen seit Urzeiten zusammen Musik und wir werden das immer weiter machen. Wir haben auch genügend Ideen in andere Richtungen, wie gesagt "Free to random 3" wäre eine Möglichkeit oder auch mal ein rein akustisches Album oder was auch immer sich dann gerade ergeben würde.
Wie viel Alias Eye steckt in Deinem Beitrag zu PGM? Ist PGM eher eine Erweiterung oder ein Kontrastprogramm zu Alias Eye?
Philip Griffiths: Ich denke, dass kaum Alias Eye in PGM steckt. Es handelt sich um ein Kontrastprogramm, das musikalisch eigentlich wenig mit meiner Hauptband zu tun hat. Da die musikalischen Grundstrukturen von Philipp und Stefan stammen, passe ich meine Gesangsmelodien an und versuche, so gut wie möglich die Stimmung der Musik vokalistisch zu untermalen. Einzig das letzte Lied „Fall“ erinnert an Alias Eye, da ich es ja komplett geschrieben habe; ansonsten genieße ich es, mich an Philipps und Stefans Musik "zu klammern"...ein anderes Erlebnis, als gleich von Beginn an mitzukomponieren.
Was kann man in Zukunft von PGM erwarten... etwa doch mal einen Live-Auftritt? Und wann gibt es ein neues Album? Und wie sehen eure Planungen neben PGM aus? Was ist von euch als Nicht-PGM'ler zu erwarten?
Philipp Jaehne: PGM Live halte ich nach wie vor für völlig unrealistisch. Stefan und ich haben nicht die Zeit zu proben und neue Stücke zu machen. Also ist es ein Entweder-Oder und da werden wir immer die Arbeit an neuen Stücken bevorzugen. Ein neues Album? Eigentlich würden wir ja gerne im Jahresrhythmus bleiben. Allerdings haben wir im Moment noch nicht so arg viel Konkretes, sind gerade stark am Experimentieren und hätten auch gerne noch ein paar andere Instrumente - also den ein oder anderen Gastmusiker - dabei. Kann man also noch nicht absehen, wann was Neues kommt. Hängt natürlich auch von Alias Eye ab, die Ende des Jahres ja auch ins Studio wollen, da könnte es durchaus Überschneidungen geben. Neben PGM? tjaaa ... da gibt es so ein Projekt, das ein gewisser Herr Pichireddu ins Leben gerufen hat, für das wohl Gerd Weyhing der musical director sein wird. Eine Verbindung von Musik und gesprochenem Wort ... Da mitzuarbeiten interessiert mich stark, bis jetzt ist das wegen allseitigen Zeitmangels nur noch nicht aus den Startlöchern gekommen, aber Herbst und Winter sind eh die kreativere Zeit.
Phil Griffiths: Auch von Alias Eye wird es im Frühjahr 2003 ein neues Album geben, wir kommen gut voran und hoffen, dass wir bald ins Studio gehen können, mal sehn'...
Sal Pichireddu © Progressive Newsletter 2002