Interview
(Progressive Newsletter Nr.55 04/06)
Ausschnitte eines Interviews mit Hubi Meisel (Gesang)
Der gesamte Prozess hat diesmal wirklich mehr als 2 Jahre Zeit in Anspruch genommen. Zum einen hatte es damit zu tun, dass es sich um eine ganz spezielle Thematik handelt, in welche ich mich erst mal ausgiebigst eingearbeitet habe, ehe es an das Songwriting mit Vivien ging, und natürlich müssen sich die am Album beteiligten Musiker nach Fertigstellung der Vorproduktion ja auch erst mal auf das Material "einspielen", bevor die endgültigen Aufnahmen beginnen. Zum anderen lag es aber auch daran, dass ich in wieder in meinem eigenen Studio produziert habe, denn dadurch sind mir zeitlich keine Grenzen gesetzt, und ich konnte mir extra viel Zeit für den Mixdown nehmen.
Bereits für das Konzept von "EmOcean" hast du dir jede Menge Zeit genommen. Waren die Recherchen für "Kailash" ebenso aufwändig und woher kam der Anstoß für dieses Konzept?
Es verlief in gewisser Weise ähnlich wie bei "EmOcean". Ich hatte noch gar keinen blassen Schimmer, in welche Richtung das neue Album gehen sollte und entschied mich, diese Sache – wie beim letzten mal – wieder meiner Intuition zu überlassen. Kurz darauf sah ich dann eines Nachts sehr deutlich eine riesige verschneite Bergkette, die von einem beeindruckenden, rot-goldenen Himmel gesäumt war. Am nächsten Morgen spürte ich ganz stark, dass die nächste Scheibe ein Konzeptalbum über Tibet und den Himalaja werden sollte, und es kristallisierte sich dann auch bald ganz klar heraus, dass der heilige Berg "Kailash" im Zentrum dieses Albums stehen würde. Die grobe Rahmengeschichte kam mir recht spontan in den Sinn, doch da ich meine Geschichte auch mit detaillierten Hintergrundinfos ausschmücken wollte, habe ich dann auch etliche Bücher und Schriften über das "Schneeland", den Dalai Lama und den Tibet-China Konflikt zu lesen begonnen, da ich bis zu diesem Zeitpunkt eher wenig über diese Thematik wusste.
Wie kann man sich die Zusammenarbeit mit Vivien Lalu vorstellen, da von ihm die Musik für das komplette Album stammt, ihr aber beim Arrangement zusammengearbeitet hat. Wart ihr zusammen im Studio oder lief das meiste auf dem elektronischen Weg ab?
Wir haben uns einmal in Paris getroffen, ansonsten kommunizieren wir jedoch ausschließlich über Internet und Telefon. Unsere Art der Zusammenarbeit "auf Distanz" mag vielleicht etwas ungewöhnlich erscheinen, aber es funktioniert echt super! Zunächst arbeite ich das Konzept aus und füge jedem Song gewisse Direktiven bei, wie ich mir die musikalische Umsetzung vorstelle. Dann schickt mir Vivien seine ersten Ideen per MP3, und wir tasten uns dann gemeinsam immer weiter voran, bis die Songs instrumental stehen. Anschließend arbeite ich meine Gesangsmelodien aus und erst dann schreibe ich die Texte.

Zum Teil ist die gleiche "Mannschaft" wie bei "EmOcean" an Bord, zum Teil sind aber auch andere Musiker mit von der Partie. Waren die Veränderungen geplant oder war es mehr eine Frage wer verfügbar war?
Mit "Verfügbarkeit" hatte das nichts zu tun. Marcel Coenen (Sun Caged) spielte die eine Hälfte der Gitarren ein, und da er schon auf "CUT" und "EmOcean" gespielt hat und ich sein Können bewundere, war es für mich klar, ihn erneut einzuladen. Den spanischen Saitenzauberer Jorge Salán (Mago de Oz), der die andere Hälfte der Songs übernahm, kenne ich schon einige Jahre, und ich war echt überglücklich, dass er trotz seines vollen Terminkalenders Zeit hatte, mitzumachen. Das Schlagzeug wurde wieder Daniel Flores (Mind’s Eye) aus Schweden eingespielt, der zusammen mit seinem Landsmann, dem Basser Johan Niemann (Therion), ein echt unschlagbares Rhythmus-Team bildet. Gitarrenvirtuose Joop Wolters aus Holland klampfte wiederum die beiden Bonus Tracks ein. Lediglich bei Bamby (Bassist von "EmOcean") konnte aufgrund zeitlicher Probleme nicht wie geplant auf den Bonus-Tracks den Bass übernehmen, da er zeitgleich mit seiner Band im Studio war, als die Aufnahmen anstanden.
Was steckt hinter den beiden Bonustracks? Sind sie mehr als Ergänzung zu sehen bzw. gehören sie nicht zum Gesamtkonzept des Albums?
Bei diesen Songs handelte es sich nicht wie oft üblich um "ausgesondertes" Songmaterial, sondern es wurden allein ca. 3 Monate Arbeit in diese 2 Stücke investiert. Die Bonus Songs gliedern sich in das Konzept des Albums ein: "The Gentleman of Great Magic" erzählt die Lebensgeschichte des heiligen tibetischen Yogis Milarepa, der in der Hauptstory von "Kailash" im Song 8 ("Milarepa’s Cave of Miracles") eine Schlüsselposition einnimmt. Mir ging es darum, die radikale Wandlung eines Menschen, der sich in früher Jugend erst den dunklen Mächten verschrieben hatte, und sich dann zu einem "Meister des Lichtes" entwickelte, näher zu beleuchten. Der zweite Bonus-Track: "Tigers of Everest" dokumentiert das ungesehene Schicksal der sogenannten Sherpas. Die "Sherpas" waren durch ihre phänomenalen Bergsteigerkenntnisse maßgeblich daran beteiligt, dass die meisten großen Expeditionen auf den Mount Everest überhaupt zum Erfolg werden konnten. Durch den zunehmenden "Extrem-Klettertourismus" wurden sie aber immer mehr in ihrer Kultur bedrängt, und leider fanden dann unzählige dieser Leute bei diesen waghalsigen Expeditionen den Tod.
Gibt es jemanden mit dem du gerne zusammen gearbeitet hättest bzw. planst in der Zukunft zusammen zu arbeiten?
Für "Kailash" hatte ich, wie auch schon für "EmOcean", mein Dream-Team mit an Bord, und für die nächste Scheibe werde ich es bestimmt wieder schaffen, die optimale Mannschaft zu finden. So wie es aussieht, kann man aber davon ausgehen, dass das Line-Up relativ konstant bleiben wird.
Kristian Selm © Progressive Newsletter 2006