Interview


(Progressive Newsletter Nr.59 05/07)
Ausschnitte eines Interviews mit Uwe Karpa (Gitarre)


Wie entstand die ursprüngliche Idee nur als Trio auf Tour zu gehen?

Bei der Suche nach Möglichkeiten, mehr Konzerte mit Anyone´s Daughter zu spielen, hatten wir die Idee, zusätzlich zum bestehenden Repertoire der „großen“ Besetzung ein Programm für eine Trio-Besetzung zusammenzustellen. Dieses Konzept hat einige Vorteile: a) Wir können Veranstaltern Anyone´s Daughter-Konzerte für einen anderen Rahmen anbieten, d.h. Clubs und Kultursäle mit kleineren Bühnen und weniger Fassungsvermögen. Das bedeutet wiederum weniger Produktionskosten, kaum technischen Aufwand, und damit kein sehr hohes finanzielles Risiko. b) Für die beteiligten Musiker ist es eine künstlerische Herausforderung, die „orchestrale“ AD-Musik in eine „kammermusikalische“, intime Form zu übersetzen. Jedes Stück musste ja neu arrangiert und für die Trio-Interpretation eingerichtet werden. Das Ergebnis war erstaunlich und beglückend: Die Songs stehen da, als wären sie schon immer so gewesen, ihnen fehlt nichts. Aber sie zeigen ein neues Gesicht, andere Facetten treten zu Tage. Das Ganze wird sehr offen, transparent, bietet viel Freiraum für uns drei. Gleichzeitig müssen wir natürlich sehr konzentriert und mit größter Aufmerksamkeit zur Sache gehen, da die Musik nicht durch die Rhythmusgruppe zusammengehalten wird. Das schafft beim Konzert eine knisternde, fesselnde Atmosphäre.


Die Veröffentlichung einer Audio CD der Trio Tour war ursprünglich eigentlich nicht geplant. An welchem Punkt habt ihr dann doch über eine CD Veröffentlichung nachgedacht?

Schon bei den ersten Konzerten ließen wir „das Band mitlaufen“, einfach zur Kontrolle, ob das, was wir im Proberaum erarbeitet hatten, eigentlich live auch gut ´rüberkam. Es war für uns richtiges Neuland, und ob wir dies Experiment ausbauen wollten, stand nicht von Anfang an fest. Doch die Reaktion der Zuhörer war extrem ermutigend: die Leute waren begeistert! Und uns selbst machte es auch unglaublich viel Spaß. Bald stand unser Entschluss fest: das wollen wir ausbauen. Um nun Veranstaltern einen Geschmack davon geben zu können, was in so einem Trio-Konzert eigentlich passiert, entschlossen wir uns, eine Promo-DVD zu produzieren. Inzwischen hatten wir durch die Konzertmitschnitte allerdings auch schon so viel ausgezeichnetes Audio-Material angesammelt, dass wir uns dachten, daraus machen wir etwas für unsere Fans und bieten ihnen „Frisches“ in Form einer Live-CD an. Und die DVD haben wir dann als Bonus gleich dazu gepackt.


Wie habt ihr die Titel für die Trio Tour ausgewählt?

Nicht jedes Anyone´s Daughter-Stück eignet sich gleichermaßen für die Interpretation als Trio. Wir sind einfach danach gegangen, was am besten funktionierte und gut klang. Dass wir nur Songs mit englischem Text bringen, ist ja schon bei der großen Besetzung so gewesen. Das liegt einfach daran, dass André Amerikaner ist und Sachen in seiner Muttersprache am überzeugendsten interpretiert. Manchmal kommt als Zugabe allerdings doch noch ein deutsches Stück zu Einsatz...


Ihr entfernt euch von typischen „unplugged“ Ansatz und verwendet ebenfalls elektrische Instrumente. Ging es dabei auch darum wesentlich mehr klangliche Möglichkeiten zu haben?

Sicherlich. Wir sind ja keine typische Rockband, die einfach ihre Songs spielt, dazwischen höchstens mal ein Gitarrensolo. Unser musikalisches Material ist komplexer, auch die Arrangements haben viel Finesse und bieten einiges für den Intellekt. Die Songs in Liedermacherart zu schremmeln, schloss sich daher von vornherein aus. Um hier auch als Trio eine gewisse Vielfalt und Abwechslung zu bieten, greift der Matthias z. B. bisweilen zur Gitarre, ich zum E-Bass. Mal kommt ein Loop zum Einsatz, oder die verzerrte Gitarre macht Krach. Aber unplugged bedeutet für mich einfach: handgemachte Musik ohne technische Mätzchen, überwiegend mit akustischen Instrumenten, wenn auch etwas verstärkt, bei moderater Lautstärke in intimer Atmosphäre.


Wie seid ihr auf die Interpretation von „Porth Mhurgheasa“ gekommen und gab es Überlegungen für noch weitere Fremdkompositionen?

Das Lied mit diesem unaussprechlichen Titel basiert auf einer alten keltischen Melodie, die ich vor ca. 30 Jahren durch eine LP von Alan Stivell kennen lernte. Ich habe sie über die ganze Zeit hinweg immer wieder für mich selbst gespielt, und aus Anlass der Trio-Tour, unter Hinzunahme eines Zwischenteils, ein Stück daraus gemacht. Ohnehin möchten wir die Möglichkeit nutzen, „Special favourites“ der einzelnen Musiker im Trio zu interpretieren. Ebenso bisher unveröffentlichtes Anyone´s Daughter-Material, oder Kompositionen, die sich für die andere Besetzung nicht eignen. Auf der CD hat sich das noch nicht so niedergeschlagen, aber live passiert mehr in der Richtung.


Mit „Der Plan“ ist ebenfalls ein Titel aus eurer Vergangenheit dabei. War es schwierig Andrew für einen deutschsprachigen Titel zu überzeugen?

Der gute André schämt sich ein bisschen, wenn er Deutsch singen muss, aber er hat sich nicht groß gewehrt - schließlich freuen sich die Fans sehr, wenn wir mit dem Stück ankommen, und André bekommt immer einen Extra-Applaus!


Ist die vollständige Bandbesetzung erst einmal auf Eis gelegt bzw. gibt es Pläne für weitere Aufnahmen / Touren in kompletter Bandbesetzung?

Solange wir keine neue CD mit der vollständigen Besetzung herausbringen, macht eine Tournee nicht allzu viel Sinn. Wenn wir jedoch Engagements an Orten bekommen, die für uns „Neuland“ sind, spielen wir gerne unser „Wrong“ und „Danger World“ Programm, z.B. im April 2008 auf dem Rites-Of-Spring-Festival in Phoenixville/USA. Konkrete Pläne für neue Aufnahmen gibt es noch nicht, jedoch einiges Material und viele Ideen, z.B. die Zusammenarbeit mit einem Orchester, ein neues Konzeptalbum, oder die Kombination von Live- und Studiomaterial. Das kostet jedoch alles einen Haufen Geld, und da wir uns selbst finanzieren müssen, bedeutet das eine riesige Kraftanstrengung - oder einen dicken, bisher nicht vorhandenen, Sponsor!


In welchen anderen Aktivitäten bist du derzeit neben Anyone’s Daughter involviert?

Ich habe eine Menge Material in Form von Instrumentalmusik und Songs „in der Schublade“. Darum halte derzeit Ausschau nach guten Musikern bzw. speziell einer Sängerin, um die Sachen zum Leben zu erwecken. Des Weiteren unterrichte ich hier in München Gitarre, wobei es mir nicht darum geht, Hochleistungs-Gitarrenflitzer zu züchten, sondern das Wachstum einer Verbindung von Herz und Händen zu unterstützen. Mein Motto: Spielen ist Hören!


Kristian Selm © Progressive Newsletter 2007