Interview
(Progressive Newsletter Nr.36 07/01)
Ausschnitte eines Interviews mit Philip Griffiths (Gesang)
Angefangen hat alles vor ca. 7 Jahren: ich bin nach Mannheim gezogen und traf dort Matthias (Spitzname: Tissi) Richter (Gitarre); wie das Glück es so wollte wurden wir Nachbarn und merkten schnell, dass wir sowohl menschlich wie auch musikalisch sehr gut zusammenpassten. Bald stießen dann Frank Fischer (Bass) und Andres Bertomeu (Schlagzeug) dazu und wir gründeten die Coverband "Stonehenge", die durch die Mannheimer Clubs tingelte und viele Songs aus den 60ern und 70ern - Jimi Hendrix, Cream, Clapton, Free etc. - im Gepäck hatte. Dies war die Zeit des 70ies Revival: Lennie Kravitz begeisterte die Massen mit "Are you gonna go my way" und die Leute waren wieder offen für "Flower Power" Musik. Auf dieser Welle ritten wir nun und spielten relativ häufig auf Festivals und Konzerten. Leider hielt diese positive Grundstimmung nicht lange an und die Konzertbesucher blieben aus, auch in der Band kriselte es, Andres stieg aus und Ludwig Benedek ein - die Luft war aber nach ein paar Konzerten raus, wir hatten genug vom "covern" wollten unser eigenes Material schreiben und live präsentieren. Wir fingen an, an eigenen Songs rumzuwerkeln, so entstand als erster Track "Driven", Lied Nr. 5 auf "Field of Names". Wir merkten jedoch schnell, dass das Lineup noch nicht komplett war, ein Keyboarder musste her. Ich traf dann - wieder Zufall? - Vytas in einem Seminar an der Uni, er kam zur Probe und alias eye wurde geboren. Wir bastelten dann 2 Jahre an eigenen Liedern, nahmen unsere Demo-CD "Beyond the mirror" auf und ergatterten damit einen Plattenvetrag. The rest is history.
Wie kamt ihr letztendlich zu dem Entschluss, Musik zu schreiben und zu spielen, die momentan nur noch im Underground angesagt ist und wohl nie wieder eine Chance hat in der heutigen Medienlandschaft nach oben zu kommen?
Nun ja, ich würde unsere Musik nicht als Underground Musik bezeichnen, wir versuchen stets eingängige Melodiebögen zu kreiern, die auch "Nicht-Proggies" erreichen könnte. Meiner Meinung nach ist die Musik von alias eye eine Mischung aus einprägsamen Melodien und komplexerem Songmaterial. Wenn man ein Lied schreibt, ist das immer eine Gratwanderung: entfernt man sich zu weit von den Hörgewohnheiten des Publikums, reagiert es genervt, bringt man keine neuen Elemente in die Musik ein, macht sich Langeweile breit. Deshalb ist die Komposition immer der Versuch, die richtige Mischung aus "Nähe" und "Ferne" zu finden. Leider fordert die hiesige Musikindustrie nur noch das Prinzip "Nähe" und unterst¨tzt keine Experimente, die sich abseits der Massenkultur bewegen, insofern hast Du sicher Recht, in der heutigen Medienlandschaft ist wohl kaum Platz für Progressive und Art-Rock.

Steckt hinter Eurem Bandnamen eine tiefere Bedeutung?
Vielleicht...was meinst Du? Für mich drückt der Name die Suche nach der eigenen Individualität aus. Ein "Alias" ist ja ein Name, den man für sich selbst wählt, der aber nie das eigene "Ich" erfassen kann, er vereint "das Ich" mit "dem Anderen". Eye liest sich ja auch "I", also "Ich". alias eye symbolisiert so die Macht der Namensgebung, die Realität erschafft und einengt. Ich spiele gerne mit Realitätskonzepten in meinen Texten - wer wir sind ist ja wohl die wichtigste Frage überhaupt, oder?
Wie seit ihr auf die Prog Szene aufmerksam geworden?
Ich höre schon seit Jahren Spock's Beard, Yes etc. und interessiere mich für die Szene. Im Internet gibt es ja eine Fülle von "prog-related sites". Als Band ist es erst einmal wichtig, Anschluss and eine Gruppe zu finden und die Mitglieder der Prog-szene leben ja eine fast schon inzestuös-loyale Beziehung aus....einerseits gefällt mir die Treue der Progfans, andererseits bin ich überzeugt, dass sich noch viel mehr Leute für diese Musikart begeistern könnten, man müsste sie nur erreichen...
Eure Musik ist sehr melodiebetont und songorientiert. Sind dies auch die Dinge, die bei Euch beim Komponieren immer im Vordergrund stehen, sprich eine gute Hookline ist wichtiger als komplexe Taktwechsel?
Meiner Meinung nach wird Progressivität viel zu oft an krummen Takten, Tempiwechseln und komplexen Breaks gemessen. So entstehen Bands, die aneinandergewürfelte Parts krampfhaft zu einem homogenen Ganzen zusammenschustern. Man sollte sich als Musiker immer fragen: "Taktwechsel, komplexer Break...warum gerade hier? Was versuche ich damit zu bezwecken? Will ich vielleicht nur, dass den Zuschauern der Speichel aus den Mundwinkeln läuft?" alias eye arbeitet da eher klassisch: wir basteln an einem Thema und versuchen dieses in neuen Varianten zu präsentieren; eine klassische Symphonie basiert wirklich nur aus ganz wenig Teilen, die immer wieder aufgegriffen, abgeändert und verfremdet werden.

Von was handeln die Texte Eurer Lieder und wie wichtig ist Dir ein guter Text im Zusammenspiel mit der Musik?
Für mich ist es sehr wichtig, das Musik und Text eine Einheit bilden. Viele Zuhörer beschäftigen sich nicht besonders intensiv mit Texten, man ist wohl doch zu sehr von den "Boom, boom, boom. I want you in my room" Texten der Charterfolge beeinflusst. Lyrics können Gedanken leiten, aber auch befreien und neue Sichtweisen eröffnen. So werden Umstände, die vielleicht in unserem täglichen Leben nicht so auffallen, deutlich gemacht. Deswegen möchte ich auch nicht die Texte durch meine spezifische Interpretation fixieren, nicht was ich denke zählt, sondern was die Leute in den Texten erkennen und für sich verarbeiten können.
Mit "Field of names" gibt es seit Mai Euren ersten Longplayer. Wie lange habt ihr an dem Album gearbeitet und seit ihr mit dem Endresultat letztendlich zufrieden?
Wir haben uns diesmal sehr viel Zeit genommen, insgesamt waren wir 5 Monate im Studio. Eigentlich kann man eine Platte nie vollenden, es ist immer schwierig, einen Schlussstrich zu ziehen, aber irgendwann muss man die Regler runterfahren und die Aufnahme abschließen. Mit diesem "Schlussstrich" sind wir alle sehr zufrieden.
Auf welche Weise hat Dich Dein Vater als ehemaliger Sänger Beggar's Opera in Deiner musikalischen Entwicklung beeinflusst?
Gesanglich bin ich natürlich sehr von meinem Vater beeinflusst. Wir haben immer zusammen gesungen und musiziert. Das Duett auf "Field of Names" hat mir sehr viel Spass gemacht und mein Vater hat es auch sehr genossen, wieder auf einer Platte mitzuwirken.
Kristian Selm © Progressive Newsletter 2001