Interview
(Progressive Newsletter Nr.47 01/04)
Ausschnitte eines Interviews mit Frank Fischer (Bass)
Wir sind sehr zufrieden. Natürlich ist man als Musiker gespannt, ob man die Erwartungshaltungen der Hörer nach einem erfolgreichen Debütalbum auch erfüllt hat; wir haben uns aber von einer Erwartungshaltung nicht beeinflussen lassen, sondern einfach komponiert und die Songs aufgenommen, die uns am besten gefallen haben. Insgesamt waren die Rückmeldungen bisher sehr positiv.
Insgesamt ist das neue Album stilistisch vielschichtiger geworden, wurde sehr viel Detailarbeit in die einzelnen Songs gesteckt. Ist das Endresultat letztendlich so geworden, wir ihr es haben wolltet oder musstet ihr auch Kompromisse eingehen?
Die Aufnahme eines Albums besteht immer aus Kompromissen, weil es oft vorkommt, dass die Vorstellung, die wir von einem neu geschriebenen Song haben, sich dann im Studio doch nicht so gut anhört wie im Kopf. Wir haben dann immer abgewogen, was gut und was nicht gut für den Song ist. Außerdem kommen beim Aufnehmen immer neue Ideen dazu. Insbesondere unser Produzent Christian Schimanski hat meist noch sehr gute Ideen, die dann in die Aufnahme mit einfließen. "A different point of you" ist aber definitiv so geworden, wie wir uns das vorgestellt haben. Mehr noch: Es hat unsere Vorstellung übertroffen.

Dieses mal habt ihr vermehrt mit Gastmusikern gearbeitet. Inwieweit hat sich diese Zusammenarbeit ausgewirkt und wie werdet ihr live die Songs dementsprechend umsetzen?
Für uns sind Gastmusiker "Farbtupfer", die einen wichtigen Beitrag leisten, ohne die Eigenständigkeit von uns zu beeinträchtigen. Als Band musst du in Bezug auf ein Studioalbum offen für alles sein. Wenn ein Song, wie beispielsweise "Fake the right" nach einem Bläsersatz im Hintergrund gerade zu schreit, was spricht dagegen, einen solchen aufzunehmen? Im Studio steht der Song im Mittelpunkt des Geschehens. Wenn der Song es erfordert, z.B. im Refrain ein Alphorn einzusetzen, weil es genau der Sound ist, den der Song braucht, dann manchen wir das. Wir trennen ganz klar zwischen Studioaufnahme und Live-Performance. Wir arrangieren die Songs für unsere Live-Auftritte um. Dabei kommt es durchaus vor, dass Elemente, die auf dem Album sind, wegfallen, andere hinzukommen. Natürlich fallen keine tragenden Elemente weg. Prozentual ausgedrückt können wir schon 95% eines Songs live umsetzen. Die restlichen 5% sind Figuren, Flächen, die im Hintergrund laufen und den Song auf dem Album runder machen. Diese müssen live aber nicht gespielt werden, zumal es dann irgendwann auch zuviel wird und den Bandsound beeinträchtigt. Die Beträge von Gastmusikern versuchen wir entweder mit anderen Sounds umzusetzen oder arrangieren den Song komplett anders. Wenn möglich, laden wir die Gastmusiker zu unseren Gigs ein, wie wir es bei unserer Release Party getan haben. Allerdings ist das natürlich nur selten möglich, da diese in der Regel einem Beruf nachgehen und nicht immer Zeit haben. Für den Zuschauer ist es sicher interessanter, wenn er live etwas anderes zu hören bekommt, als eine Eins-zu-Eins Kopie des Albums.
Ist es eher ein Vorteil, dass ihr genreübergreifende Musik spielt oder seit ihr allgemein gesprochen den Proggies nicht komplex genug, dem Normalhörer zu anspruchsvoll?
Schwierige Frage, ob Vor- oder Nachteil. Wir sitzen de facto zwischen zwei Stühlen und bekommen ja mit, wie wir die Prog-Rock Szene polarisieren; vor allem jetzt mit unserem noch vielseitigeren zweiten Album. Meiner Meinung nach kommt es aber letztendlich doch nur auf eines an: Gefällt mir die Musik oder gefällt sie mir nicht? Wir sind nicht nur Musiker, sondern auch Musikkonsumenten. Ich kaufe mir das, was mich anspricht und meinem persönlichen Musikgeschmack entspricht. Es erfüllt uns wirklich mit Freude, wenn unsere Musik so gut ankommt - egal ob Proggie oder Otto-Normal Verbraucher. Sicherlich gibt es Musikliebhaber, denen unsere Musik nicht zusagt, aus welchen Gründen auch immer. Es gibt jedoch offensichtlich eine Menge Menschen, denen unsere Musik gefällt. Unser erklärtes Ziel ist es, so vielen Menschen wie nur möglich unsere Musik vorzustellen. Es wird sich in den nächsten Monaten, Jahren dann schon herausstellen, ob unsere genreübergreifende Musik von Vor- oder Nachteil ist.

Inwieweit hat euch das Internet bzgl. Kontakte, Vertrieb und Steigerung des allgemeinen Bekanntheitsgrades geholfen?
Das Internet hat uns unheimlich weit gebracht. So sind wir ja erst über das Internet auf DVS Records aufmerksam geworden. Unser Internetauftritt bietet eine kostengünstige und effektive Möglichkeit, Menschen weltweit auf unsere Musik aufmerksam zu machen. Als Napster noch existierte, haben wir einfach eigene Songs gegen andere getauscht. So wird man zumindest etwas bekannter. Außerdem ist die eigene Internetseite das beste Marketinginstrument. Endlich gibt es die Möglichkeit, jedem unsere Musik zugänglich zu machen; dazu müssen die Leute einfach nur auf unsere Seite gehen und sich die Auszüge aus unserem Album anhören. Was früher eigentlich unmöglich war, ist heute schon Alltag: Du kannst rund um die Uhr für deine Musik werben und das weltweit.
Gibt es noch die Idee eine CD mit Bonus- bzw. Livetracks zu veröffentlichen?
Wir überlegen, ob wir irgendwann gar eine DVD mit Livetracks und ein paar zusätzlichen Gimmicks veröffentlichen. Aber das ist nur eine Idee und noch lange nicht spruchreif.
Diesen Sommer habt ihr auf dem Göteborg Artrock Festival gespielt. Gibt es bereits weitere Pläne bzw. Anfragen aus dem Ausland oder Inland für weitere Auftritte?
Es gibt noch keine konkreten Angebote, aber es wird sich im Verlauf der nächsten Monate sicher etwas ergeben. Es gibt zwar verschiedene Anfragen bezüglich Festivals im Ausland auf denen wir spielen könnten. Allerdings liegen auch hier keine bestätigten Termine vor; deshalb alle Angaben ohne Gewähr. Wir sind im Gespräch mit einer Booking-Agentur, mit der wir höchstwahrscheinlich ins Geschäft kommen werden. Geplant sind vor allem Support-Gigs für Bands wie den Flower Kings, Saga oder auch Spock's Beard. Wäre für uns toll, wenn das klappen könnte. Aber in diesem Business kann man leider erst dann absolut sicher sein, wenn man zum einen den Vertrag unterschrieben und dann auch tatsächlich auf der Bühne steht.
Kristian Selm © Progressive Newsletter 2004