CD Kritik Progressive Newsletter Nr.9 (06/1996)
Ageness - Rituals
(51:08, AGSCD, 1995)
Wer sich intensiver mit diesem Fanzine beschäftigt und darüber hinaus über ein gutes Gedächtnis verfügt, der erinnert sich vielleicht an meine Kritik über die Ageness CD "Showing paces" im PNL Nr.6. War ich schon damals dieser finnischen Band sehr positiv gegenüber eingestellt, so bestätigt ihr neues Werk "Rituals" diese Meinung noch mehr. Trotzdem bleibt erstaunlich, dass diese musikalisch wirklich hervorragende Band recht unbeobachtet ein weiteres kleines Meisterwerk abgeliefert hat. Sind sie in ihrem Heimatland schon etwas bekannter und haben dort auch schon mal auf einem Open Air in Helsinki vor mehreren tausend Zuschauern gespielt, so haben sie im Ausland noch den Status den unbekannten Geheimtipps. Von der musikalischen Mixtur her kann man noch am ehesten als Vergleiche It Bites oder World Trade heranziehen, da Ageness ebenso soliden, gut arrangierten Rock mit einem gehörigen Schuss Prog spielen, ihre Tendenz zu diesem Stil aber meines Erachtens noch wesentlich weiter geht. Die Palette reicht von recht straighten, kurzen, vierminütigen Songs mit Wiedererkennungswert und Chors ("Freeways", "Take us all") bis hin zu bombastischen, modernen und auf 10 Minuten ausgedehnten Progressive Rock Orgien ("Mortal wings of sin II"). Dazwischen gibt es aber auch Mischkompositionen aus Prog und Rock mit zum Teil absolut gigantischen Soloeinlagen von Gitarre und Keyboard ("Polyphemus"). Es ist eigentlich alles vorhanden, was diese CD aus der allgemeinen Veröffentlichungsflut heraushebt: eine gute Produktion, interessante Kompositionen, prägnante, aber songdienlich eingesetzte musikalische Fähigkeiten und darüber hinaus besitzt auch Sänger und Gitarrist Tommy Eriksson eine zwar etwas eigenartige, aber sehr markante Stimme. Von der Qualität her, über jegliche Zweifel erhaben, ist diese CD somit eigentlich nur vom persönlichen Ge- und Missfallen abhängig. Somit sei diese moderne Mischung allen wärmstens ans Herz gelegt, die das Anhören reiner Neo Prog Plagiate leid sind und auch mal geradlinigere, wenn auch absolut nicht anspruchslose Rockstrukturen mögen.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1996