CD Kritik Progressive Newsletter Nr.9 (06/1996)
J.e.t. - Fede, speranza, caritá
(40:20, Vinyl Magic, 1972)
Aufgrund der unbarmherzigen Informationsflut, die Vinyl Magic bei dieser Veröffentlichung bietet - es fehlen sowohl die Namen der Musiker, als auch das Aufnahmejahr - bin ich gezwungenermaßen auf reine Spekulationen angewiesen. Nach intensiver Kleinstarbeit konnte ich immerhin am Rande eines schlampig abgeschnittenen Bildes das Jahr 1973 schemenhaft erkennen. Zieht man doch noch als Ursprungsland Italien in Betracht, dann weiß man auch schon fast, was man hier zu hören bekommt: feinster 70er Italo Prog, diese typische Mischung aus etwas Hard Rock, kreischender Hammond, süßen Melodien und ein mit Pathos, beladenes südländisches Organ in Landessprache. Eigentlich bin ich nicht ein Freund dieses Stils, und dies wird sich auch nicht mit diesem Album ändern, aber unbestreitbar flechten J.e.t. gekonnt einen bunten Strauß an allerlei interessanten Stilblüten. Will sagen, neben kleinen Anleihen bei Uriah Heep (soundmäßig und im teilweise vorhandenen Chorgesang) und Renaissance (in einer Klavierpassage), ist diese Band mit Sicherheit ein willkommener Frühlingsgruß für alle Liebhaber des typischen Italo Progs der alten Schule. Die Produktion klingt selbstverständlich total altbacken, jedoch ist das Gesamtklangbild transparent, so dass alle Instrumente gleichberechtigt nebeneinander stehen. Musikalisch werden auch mal komplexe Zwischenteile eingestreut, doch sind die vier Italiener ebenfalls auf der Suche nach schönen Melodien ("C'è chi non ha" sei hier als besonderes Schmankerl erwähnt). Im Gesamten behalten auch die melodischen Teile knapp die Oberhand. Die fünf Lieder bewegen sich zeitlich zwischen 3½ und 11 Minuten und beweisen sowohl die instrumentale Beherrschung, als auch gute Abstimmung in den Arrangements. Wer gerne die Augen schließt, die Zeit um mehr als 20 Jahre zurückdrehen möchte und gerne in Erinnerungen von damals schwelgt, als sowieso alles besser war, der ist mit dieser CD gut bedient. Ich bleibe jedoch weiterhin ein Verschmäher der italienischen Kost dieser Zeit und greife auf gewohnt Britisches wie "Relayer" oder "Selling England by the pound" zurück.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1996