CD Kritik Progressive Newsletter Nr.8 (03/1996)
Stern Meissen - Reise zum Mittelpunkt des Menschen
(38:58, DSB, 1980)
Nach der Wende 1990 kam es auch auf dem Musikmarkt zu einer Wiedervereinigung, die natürlich recht einseitig verlief, will heißen, das meiste ging von West nach Ost. Trotzdem wurde auch die Gelegenheit am Schopf gepackt, Platten von ex-DDR Bands wie z.B. Karat oder Puhdys neu herauszubringen. Darunter befindet sich auch diese Scheibe von Stern Meissen, meines Wissens nach, die bekannteste Prog Band in der DDR. Das Werk, das ursprünglich 1980 auf Tape gebannt wurde, liegt als remasterte CD vor, wobei die Original Masterbänder verwendet wurden. Entsprechend dem Aufnahmejahr kann man die Musik doch noch als typischen 70er Prog bezeichnen, Hammond und Moog sind genauso präsent, wie ein dröhnender Bass (Rickenbacker?) à la Chris Squire. Die Bassarbeit von Peter Rasym gefällt mir daher auch sehr gut, denn er bearbeitet die dicken Saiten gleich gut, wie sein eben genannter Vorgänger aus England. Hier also schon mal ein Pluspunkt. Weiterhin sind außer den Drums und Thomas Kurzhals und Lothar Kramer zwei Keyboarder vertreten, die den Stil von Stern Meissen entscheidend prägen, als ein sehr keyboardbetontes Album. Die Musik allgemein ist abwechslungsreich. Es gibt ruhigere Passagen, dann meist mit Gesang, die wieder von etwas ruhigeren Passagen, dann meist mit Gesang, die weder von etwas flotteren abgewechselt werden. Kompositorisch gehen die Lieder voll und ganz in Ordnung, da kann sich manche heutige deutsche Prog Gruppe noch eine Scheibe abschneiden. Auch handwerklich haben es die Musiker drauf. Da die Scheibe großteils instrumental gehalten ist, gibt es viele Möglichkeiten für ruhige, atmosphärische, aber auch viele solistische Einlagen der Keyboards. So extrem virtuose Soloteile wie bei Yes darf man allerdings nicht erwarten, aber welche Gruppe schafft das schon? Also, auch hier Pluspunkte. Nun aber zu dem Punkt, an dem ich (wie der aufmerksame Leser schon weiß) am liebsten meckere...zum Gesang. Trotzdem gleich mal Entwarnung, denn der Gesangsstil von Reinhard Fissler ist schon o.k. Nur finde ich die deutschen Texte manchmal etwas komisch. Ich habe beileibe nichts generell gegen deutsche Texte. Wer übrigens mal anspruchsvollen Rock (nicht Prog!) mit ebenso anspruchsvollen deutschen Texten sucht, sollte sich unbedingt mal Spliff zu Gemüte führen. Leider kennt man von denen nur das während der NDW hochgespülte "Carbonara", aber in deren Repertoire gibt es viele wirklich hörenswerte Stücke (Empfehlung: von "Herzlichen Glückwunsch" das Stücke "Glaspalast" oder "Die Maurer"). Also, wie war das jetzt mit den Texten? So Dinger, wie "Menschenzeit im Tropfsteinkleid" finde ich halt dichterisch nicht so gelungen. Aber erstens kommt der Gesang selten vor und zweitens kann der Mann schon singen, daher alles halb so wild. Die Stern Meissen Platte "Weisses Gold" war da mit ihren versteckt anti-kapitalistischen Texten schon schlimmer. Für alle Freunde des 70er Prog ist das Werk wärmstes zu empfehlen, aber da es gut produziert ist und nicht angestaubt klingt, werden es auch viele andere außerhalb dieser Gruppe gut finden.
El Supremo
© Progressive Newsletter 1996