CD Kritik Progressive Newsletter Nr.7 (02/1996)

Calliope - Il madrigale del vento
(52:47, Vinyl Magic, 1995)

Nachdem mir Keyboarder Rinaldo Doro schon September letzen Jahres mitgeteilt hatte, dass die neue und damit dritte CD von Calliope demnächst erscheinen wird, warteten wir schon ungeduldig auf dieses Ereignis, da für Kristian und mich diese Band mit Abstand die beste italienische war. Nun dreht sich das Teil endlich im Player und ich muss sagen, dass sich bei mir Überraschung ganz schön breit macht. Die Musik klingt ganz anders als die ersten zwei Scheiben und das, was man erwartet hat, sucht man vergeblich. Wer Calliope schon kannte, weiß, dass für sie ein dynamischer, manchmal leicht heavy-lastiger und druckvoller Stil typisch war. Ganz anders wie viele andere italienische Bands, die angestaubte und langweilige 70er-Zitat-Musik verbreiteten. Bei Calliope bekam man eine gute Mischung aus fetzigem Rock und leicht komplexen Prog geboten, bei dem die Keyboards und die Gitarre gleichwertig die Hauptrolle spielen. Der italienische Gesang des sehr guten Sängers tat sein Übriges, um diesen positiven Eindruck zu bestätigen. Bei diesem Album hat sich dies aber grundlegend geändert. Die Band bietet nunmehr eingängigen Neo Prog, mit einem hohen melodischen Anteil. Die einzelnen Songs sind nicht mehr Up-Tempo-Nummern, sondern meist in langsamen oder mittlerem Tempo gehalten. Die Länge pendelt zwischen 3 und 6 Minuten, die zwei langen Stücke sind beide über 15 Minuten. Auch klingt das ganze nicht mehr so aggressiv wie früher, sondern ist wesentlich eingängiger geworden. Diese erstaunliche Wandlung ist wohl v.a. auf eine fast totale Umbesetzung der Gruppe zurückzuführen. Als einzige des alten Line-Up haben noch der Keyboarder und der Gitarrist überlebt. Auch der Posten des Sängers wurde umbesetzt und so flötet einem nun die Frauenstimme von Signora Gastaldo die italienischen Texte ins Ohr. Ihre Stimme finde ich zwar deutlich schwächer als die energiegeladene des alten Sängers, sie passt zu dem neuen Stil aber sicher besser als zum alten. Die Instrumentierung ist bis auf kleine Ausnahmen gleichgeblieben, d.h. es sind außer den Standardinstrumenten Gitarre, Bass und Schlagzeug wieder zwei Keyboarder vertreten, die auch das Mellotron einsetzen. Dazugekommen ist (scheint ja momentan Mode zu sein) eine ab und zu auftauchende Geige. Einmal bekommt man sogar das traditionelle Instrument der australischen Ureinwohner, das Didgeridoo, zu hören. Die Soloeskapaden frühere Scheiben wurden zusammengestutzt, es sticht also kein Instrument übermäßig heraus. Die Kompositionen haben durch das Betreten des Neo Prog Pfades an Widerborstigkeit verloren, die Komplexität ist allgemein nicht mehr so stark wie damals. Leider hat die Covergestaltung unter dem Wechsel anscheinend etwas gelitten, aber man kann sich ja nicht jedes Mal ein schönes Digi-Pack leisten. Im Vergleich also ein deutlich unterschiedlicher Sound im Vergleich zu früher. Das ganze ist windschlüpfrig geworden und hat die meisten Ecken und Kanten verloren. Damit gefällt es Fans der alten Calliope, inklusive mir, nicht mehr so, dürfte dafür jetzt aber für die meisten anderen interessant werden, also Neo Prog Freunde reinhören!

El Supremo



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