CD Kritik Progressive Newsletter Nr.79 (12/2013)

Klaus Schulze & Lisa Gerrard - Big in Europe Vol.1 Warsaw
(58:35 + 2 DVDs (64/54 Minuten), MiG, 2013)

Den Pionier der Elektronikszene muss man im Progressive Newsletter wohl kaum noch vorstellen. Jeder Leser dürfte wissen, was beim Genuss eines Schulze Outputs zu erwarten ist. Für seine elektronischen Klanglandschaften ist er schon seit Dekaden bekannt, dass er allerdings gesangliche Unterstützung erhält, ist eher ein Faktor neueren Datums. Vor fünf Jahren begann die Zusammenarbeit Schulzes mit der Dead Can Dance Sängerin Lisa Gerrard. Dies resultierte im 2008er Album "Farscape". Aus der auf 3 Ausgaben ausgelegten "Big in Europe" Serie liegt nun als schön aufgemachte Digipack-Version der erste Teil vor. Enthalten sind eine CD und zwei DVDs. Also schon mal reichlich Material für den Elektronik-Fan. Die geplante Trilogie liefert einen Rückblick auf die Tournee der Beiden im Jahre 2009. Den Startpunkt bildet hier nun der Auftritt in Warschau. Anlass war eine Einladung Schulzes zu einer Gedenkfeier zum 70. Jahrestag des Beginns des 2. Weltkriegs, die er dankend annahm. Seine Nähe zu Polen ist bekannt, er ist ja bereits in den 80ern dort aufgetreten (siehe "Dziekuje Poland"). Unterstützt wird er dabei durch Lisa Gerrard, die nach einem langen Schulze-Intro schließlich die Bühne betritt. Die DVDs liefern den optimalen optischen Beitrag und lassen die visuelle Umsetzung des Konzertes erkennen und liefern ebenso massenhaft Hintergrundinformationen. Die gegenseitige Bewunderung der beiden Protagonisten wird deutlich, da stimmt die Chemie einfach, was man nicht zuletzt auch auf der Bühne merkt. Schulze brauchte sich gar keine Gedanken über irgendwelche Rehearsals zu machen, denn für Lisa war die Sache ganz einfach. Sie erklärte ihm: "Klaus, mach dir keine Sorgen, ich komme auf die Bühne und singe einfach zu deinen Klanglandschaften". Gesagt, getan. Und so unglaublich das auch klingen mag, es hat tatsächlich offensichtlich funktioniert. Es ist schon erstaunlich, wie die Australierin ihre Stimme als Instrument einsetzt. Keine Sprache, einfach nur Klangmalerei - und wie. Faszinierend zum Beispiel, in welche Tiefen sie sich stimmlich scheinbar mühelos begeben kann. Prinzipiell funktioniert die Zusammenarbeit laut Schulze so, dass er sich in den Momenten, wo Lisa singt, zurück nimmt und keine Soli spielt, da diesen Part dann ja Lisa übernimmt. Und das ohne vorherige Proben, einfach drauf los - bemerkenswert! Ob jetzt weiche Klangflächen oder rhythmusbetonte Ausflüge, die Schulze-typischen Sounds harmonieren hervorragend mit Gerrards Gesang. Der Fan erhält per DVD dann noch Einblick in die Arbeitswelt eines Klaus Schulze, der hier - entgegen seiner extremen Bühnenangst - sehr locker und sympathisch rüberkommt. Ein überaus ansprechendes, informatives und liebevoll zusammengestelltes Produkt. Für Schulze Fans ein Muss!

Jürgen Meurer



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