CD Kritik Progressive Newsletter Nr.78 (08/2013)
Leprous - Coal
(55:52, InsideOut, 2013)
Sänger / Keyboarder Einar Solberg gibt sich bei der Umschreibung des aktuellen Leprous Machwerks eher kryptisch ungenau: "'Coal' ist ein melancholischeres und dunkleres Album als das eher verspielte 'Bilateral'. Und mit dunkler meine ich nicht aggressiver, sondern schwerer." Oder um es mit anderen Worten zu umschreiben: Leprous vereinen auf diesem Album progressiven Bombast mit Hang zu übertriebenem Pathos, wobei kunstvoll verschnörkelter moderner Art Rock mit gehöriger Härte und Power vorangetrieben wird. Das hat mal die prachtvolle Überdrehtheit von Devin Townsend, flirtet jedoch genauso mit dem verschachtelten Pop Overkill à la Muse, ist aber vor allem spannend, abenteuerlich und überraschend aggressiv zusammenarrangiert. Um nochmals auf die einleitende Worte von Einar Solberg zurückzukommen: ja, "Coal" ist düster und traurig, eben irgendwie typisch skandinavisch, aber trotzdem doch ganz anders und auf Plattitüden verzichtend, wie man sie von Melancholie aus nordischen Breiten erwartet. Vor allem der Gesang testet jegliche Belastungsprobe des eigenen Empfindens aus, reicht er von ruhigen Passagen bis hin zu brutaler Heftigkeit. Jedoch bleiben die extremen Ausbrüche eher die Ausnahme, während die musikalische Breitseite schon mehr auf erschlagende Wucht, rockige Heftigkeit und unterschwellige Düsternis setzt. Leprous schieben die weichen, besinnlichen Töne meistens bei Seite, setzen auf abgehackte Rhythmik und saitenschwere Riff Deftigkeit. "Coal" überzeugt durch seine brachiale, kompromisslose Konsequenz, die geschickt zwischen besinnlicher Melancholie und kunstvoll progressiver Vollbedienung tangiert. Grosses Ohrenkino.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2013