CD Kritik Progressive Newsletter Nr.78 (08/2013)
Jack Dupon - Jésus l'aventurier
(55:35, Musea, 2013)
Nach dem ersten kurzen Schreck zu Beginn des Albums, wo wie besoffen ordinärer Gesang und allerlei Geplapper durcheinander das Album beginnen lassen, und die Instrumentalabteilung ihre Arbeit aufnimmt, ist ein neues abgefahren außergewöhnliches Werk der Franzosen Jack Dupon gar und ganz verrückt gestartet, seine Opfer zu machen. Leider kann ich kaum etwas über die in französischer Sprache gesungene und so im Booklet abgedruckte Story erzählen. Das Motto ist "In Memoriam Modestine", es geht um allerlei historische (?) Gestalten, und wie diese ermordet / umgekommen sind - und zuerst um reichlich krasse Musik. Jack Dupon bleiben sich treu, vielleicht ist "Jésus l'Aventurier" etwas zugänglicher, komponierter, drahtiger und stringenter als seine Vorgänger, auf alle Fälle gibt es witzige, eigenwillige, schräge, ungewöhnliche, knackig rockende und psychedelisch-Jam-artige Ideen zuhauf und der Reigen macht ordentlich Spaß, ist locker und virtuos, will nicht mit überbordender Komplexität überfallen, sondern bringt mit sattem Rock in klassischer Besetzung (gut: g, g, b, dr, voc) (OK: plus Harmonika und Trompete) ordentlich Leben in die Bude, beweist kompositorisches Rock-Gespür und ein besonderes Faible für ausufernde Schräglagen. Mainstream ist woanders, das beweist ein jeder Song, ob 0:39 Minuten lang oder 16:21 kurz. Verfremdeter Operettengesang, der an ein wahnsinnig gewordenes Mellotron erinnert, in dem nur noch eine Spur leidlich ihre Bahn zieht, schneidende Gitarrenarbeit, rhythmische Dynamik und Komplexität, radikales Krachgedöns und Hardrock-Donner stehen selbstbewusst neben mit Sprachsamples versehener Comic-Psychedelic, die fast unscheinbar durch kurze Minuten dämmert, bis der erste Longtrack seine bizarren Seiten aufzieht und durch sein progressives Gebirge stolpert, wie es keiner vor ihm getan hat. Schon lustig, wie eigen und seltsam die hier ihren mal coolen, dann humorbetonten, stets eher forsch fröhlichen als nachdenklichen Ideen nachgehen. Disharmonische Jazzphrasen mixen sich mit fast Punk-artige Härte, Funkgitarren schmeißen Kaugummiblasen in die Luft und im lang angelegten instrumentalen Geschehen wird es, obschon die Chose zuerst nicht unbedingt besonders klingt, sehr unterhaltsam. Hier und da kreischen die Gitarren im Fripp-Erbe und die Band spult Skalen hoch und runter, während die Songdynamik zwischen monotoner Schlichtheit und steter Entwicklung mäandert. Alles geht pausenlos ineinander über, wer nicht aufpasst, hörte eben noch einem Einminüter zu und stellt sodann fest, dass von den 10:40 des folgenden "Butch" schon wieder die Hälfte um ist. Die Gitarren blubbern immer wieder diese seltsamen Kaugummiblasen in die Luft, quaken wie Frösche und die Rhythmusabteilung ackert Struktur dagegen. Die langen Tracks sind sie knackigen Rocker, die kurzen Stücke dazwischen luftige Psychedelic Avant Skizzen, doch nichts ist gewiss, und schon gar nichts ist vorhersehbar, selbst die Kaugummiquak-Gitarren nicht. Die einzige Nähe sind 70er King Crimson, ansonsten machen Jack Dupon, was Jack Dupon machen: schnoddrig komplexen Extravaganz Prog mit Comic-Charakter. Zuletzt singt der Chor: "wo wo wo wo wo..." und die punk-artige Passage setzt noch einmal an, Abbruch, Album aus. Ladies and Gentleman: Jack Dupon!
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2013