CD Kritik Progressive Newsletter Nr.78 (08/2013)

Grand General - Grand General
(46:29, Rune Grammofon, 2013)

Die ersten Takte des 12:20 Minuten langen Openers "Antics" noch sind schwerfällig. Der schwere Musikkörper braucht einen starken Motor, in Gang zu kommen. Das lang angelegte Intro hat zwar Schmackes, kann aber doch nicht ganz überzeugen. Und sodann verfällt die Komposition in epische Düsternis, weiß noch nicht, ob es im poprockigen Alternative ackern will, oder - doch da ist die Richtung entschieden. Grand General würden besser gestartet sein, ließen sie die ersten beiden Minuten weg. Doch sobald dieser Deich überschritten, wimmelt es vor heißer Materie: Avant Jazz Prog, wie ihn geübte Zuhörer lieben und fordern, wälzt die tonale Landschaft um, schwelgt in atonalen Jazzjams, fördert den Ideal-Sound des Mahavishnu Orchestra zutage - im Kleid skandinavischen Düster-Progs - und findet ausgedehnt Zeit, seine sodann illustren Ideen erlesen radikal zu gestalten. Ola Kvernberg (vi, va), Even Helte Hermansen (g), Erlend Slettevoll (keys), Trond Frønes (b) und Kenneth Kapstadt (dr) scheinen im Studio leisten zu wollen, was in Trance entrückte Musikerhelden auf Livebühnen im nur besten Fall zu zelebrieren mochten: die völlige Losgelöstheit von der kompositorischen Idee, dem Thema, dem Kern des Stückes, hinein in die Lava-Materie der Jazz-Rock-Improvisation. Die Orientierung ist deutlich: die Vorbilder sind in den frühen Siebzigern zu finden. Allerdings steckt doch ein wenig Zeitgeist im Getriebe: die mäandernde Monotonie des steten Basses, die erregt vitale Sturheit des erlesen differenzierten Schlagzeugspiels, die sphärischen Synthesizer-Attacken im Off, der schwere Gang, die Rocklastigkeit - und nicht zuletzt das ganze Avant Prog Erbe, das zu reger Instrumentalfinesse auffordert und kein Wanken zulässt. In aller jazztriefenden Energie steckt neben stilfeinen Komplexen ordentlich Doom-Anteile. Wenn über wackerem Rhythmusgedonner Geige und Gitarre epische Unisonoläufe wagen und das weit angelegte Thema ("The fall of troy") lässig voranspinnt, dämmern düstere Moleküle ins Unterholz der Songs und machen die Sache schwer, unheimlich und herrlich episch. Dabei sind die meisten Songs noch songdienlich aufgebaut, können Allgemein-Rock-Hörer überwiegend nachvollziehen, was geschieht, wenn es ihnen auch grau aufstoßen würde ob der Schräglage und des wilden Gedonners. So laut die Combo, so wenig Metal ist im Genom. Eher Hardrock - oder so: als würde das Mahavishnu Orchestra frühphasige Trettioåriga Kriget covern. Nach dem sphärisch dämmernden "Ritual" in seiner illustren Un-Ruhe folgen zuletzt 11:02 Minuten "Red eye". Wieder ist der Bassmann die schwer pulsierende Erdung, von grandiosem Schlagzeugspiel unterstützt, so baut sich ein erneut elegisches Melancholie-Thema weit auf, als Avant-Ballade zum sanft kratzigen Genuss mit starker Steigung und schließlich krasser Rockbetonung. Dieses Geigensolo! Bleibt nur eines zu sagen: wie so manche rune grammofon Produktion ist auch der Große General nur unbedingt zu empfehlen.

Volkmar Mantei



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