CD Kritik Progressive Newsletter Nr.78 (08/2013)
Five-Storey Ensemble - Not that city
(55:51, AltrOck Productions, 2013)
Musik, die fast ausschließlich mit klassischem Instrumentarium eingespielt wird, suggeriert per se mehr Ernsthaftigkeit, Anspruch und Tiefgang. Das ist auch bei der 11-köpfigen, aus Weißrussland kommenden Formation Five-Storey Ensemble nicht anders. Die Band präsentiert sich als einer Art Fortführung der inzwischen aufgelösten Rational Diet, da ein Teil deren ehemaligen Mitglieder hier wieder zu finden ist. Der grundsätzliche Ansatz wurde laut eigener Einschätzung weg von exzessiver Komplexität und Improvisation hin zur Einfachheit und Leidenschaft ausgerichtet. Dass Einfachheit relativ zu beurteilen ist, wird recht schnell klar. Die moderne Klassik ist zwar mit Bass, Schlagzeug und gelegentlicher Gitarre instrumental angereichert und rhythmisch vereinfacht, aber vieles bleibt dennoch verschachtelt und überaus anspruchsvoll. Prägend sind vor allem die diversen Streich- und Blasinstrumente, meist als Ensemble eingesetzt. Trotzdem öffnet sich die Musik ganz deutlich und verharrt eben nicht nur in typischen klassischen Strickmustern. Selbstverständlich sollte an dieser Stelle nicht politisiert werden, aber wenn das totalitäre Regime genau jenen offenen Geist hätte, wie die Musiker des Five-Storey Ensemble, hätte Osteuropa ein großes Problem weniger. Aber zurück zum Five-Storey Ensemble. Neben der Interaktion der Instrumentalisten, gehört gelegentlicher Gesang in Landessprache zum festen Bestandteil des Musikerkollektivs. Trotz der musikalischen Schwere der Musik, wird nicht ausschließlich auf die kunstvolle Kraft der düsteren Töne gesetzt. Zwar sind Nachdenklichkeit und eine gewisse Trauer deutlichste emotionale Merkmale, aber mit sparsam eingestreuten folkloristischen Elementen aus dem osteuropäischen Raum ist dies eben nicht nur ein Spiegelbild der russischen, pardon weißrussischen Seele und deren Lust am Leiden. Trotzdem: leichte Kost oder offene Lebensbejahung klingt sicherlich anders. Somit glänzt hier famos eingespielte, moderne Klassik voller Offenheit, aber eben auch voll beunruhigender Momente und schroffen Augenblicken.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2013