CD Kritik Progressive Newsletter Nr.78 (08/2013)

Anna von Hausswolff - Ceremony
(61:29, City Slang, 2013)

Das interessante Etikett Funeral Pop ist mir nicht während meines Urlaubs beim Blick aus dem Fenster und dem damit verbundenen Ertragen des Dauerregens eingefallen, sondern dieser Name fällt beim Durchlesen des mitgeschickten Beipackzettels der Plattenfirma, die mir völlig überraschend dieses Werk plus Single zuschickte. Und ich muss sagen, der Begriff trifft es ganz gut. Die Musik der Dame lässt sich in der Tat so umschreiben, etwas in der Art hätte ich mir wohl auch unter Funeral Pop vorgestellt. "Ceremony" ist bereits das zweite Album von - so viel Zeit muss sein - Anna Michaela Ebba Electra von Hausswolff. Die Plattenfirma überschlägt sich geradezu vor Superlativen bei der Beschreibung der Künstlerin, was mich per se immer erst mal skeptisch stimmt. Da ist davon die Rede, wie es denn sein kann, dass eine derart zierliche Person über ein derartiges Stimmvolumen verfügen kann. Ich teile diese Euphorie nicht so ganz, attestiere aber gerne, dass die Gesangsvorträge recht speziell sind und nicht gerade 08/15-Ware bedeuten. Ich kann leider keine Information entnehmen, was die Besetzungsliste angeht. Kann also sein, dass die junge Dame sogar alles im Alleingang eingespielt hat. Dabei spielen Gitarre und Schlagzeug eine sehr untergeordnete Rolle, stattdessen dominiert - und da sind wir wieder bei Funeral Pop - eine Orgel. Und zwar eine Kirchenorgel. Und die weiß Frau von Hausswolff auf unterschiedliche Weise sehr geschickt einzusetzen. Das ist eben nicht nur die typische Breitwand-Bombast-Kirchenorgel, sondern es gibt immer wieder mal auch sehr dezente, sehr leise Töne, die manchmal sogar mehr beeindrucken können als der Pfeifenorgel-Bombast. Diese Kirchenorgel plus Gesang Konstellation ist schon sehr eigenwillig, geht aber insgesamt recht gut auf, zumal dann doch auch mal dezent Piano oder Synthesizer bzw. Perkussion und Gitarre hinzukommen. Einmal kommt sogar mal kurz Pink Floyd Atmosphäre auf, vereinzelte fast schon avantgardistische oder auch mal psychedelische Passagen tauchen ebenfalls auf. Stimmlich erinnert sie mich an einigen Stellen an eine junge Kate Bush, aber auch eher freche, aggressive Töne sind zu vernehmen. Bleibt festzuhalten, dass dies ungewohnte Kost und wahrlich keine schon zigmal gehörte Durchschnittsware ist. Auf jeden Fall mal ein recht ungewöhnliches Hörerlebnis, das recht schwierig zu bewerten ist.

Jürgen Meurer



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