CD Kritik Progressive Newsletter Nr.78 (08/2013)
Taylor's Universe - Worn out
(43:34, Marvel Of Beauty, 2013)
Taylor's Universe' jüngstes Werk klingt nicht, wie sich Robin Taylor dem Cover nach vielleicht fühlt: ausgelatscht, verbraucht, gezeichnet vom Gang der Tage. So viele Wege dieses Paar Schuhe ging, so schön ist der Ausdruck seines Verfalls. Nix Fatalismus, ein gedankenverlorenes Schmunzeln nur. Oder? Wie stets, so sind die sechs neuen Taylor-Songs nachdenklich melancholische Stücke zwischen leisem Jazzrock und erwachsen nüchternem Symphonic Rock. In den bis auf einige lautmalerische Gesänge von, wie stets, Louise Nipper, instrumentalen Tracks passiert einiges. Und doch wirken diese Songs wie ihre Vorgänger auf anderen Taylor-Alben, inhaltsreich und in ihrer Lyrik magisch, seltsam unnahbar, kalt und fremd. Es ist so wenig Emotione in den nordeuropäisch kühlen Songs zu finden, dass die Ohren, auf der Suche danach, ohne Ergebnis stranden. Dabei sind Taylor's Ideen nicht ohne Idee, haben Charakter, machen Eindruck, und doch, gewisse Leere und Verlorenheit schwingen mit. Die Kompositionen haben Flair und Melodie, aber kaum Kraft und Energie, rauschen vorbei, hinterlassen wenig, sind kaum greifbar und gänzlich ohne den in der progressiven Rockmusik vielfach anzutreffenden Suchtfaktor; erwachsen und kühl, als wäre es avantgardistische Fahrstuhlmusik, zu gut für Fernsehpausenhintergrundmusik, zu wenig, um ein Auditorium vor der Bühne zu bannen. Wo andere Bands um Aufmerksamkeit brüllen oder Geld für Promotion ausgeben, ist hier zurückhaltende Stille. Selbst Gitarrensoli wirken eher wissenschaftlich als unwägbarer Rock, in ihrer Intensität von jazziger Dichte eher als von brachialer Energie. Was Saxophon, hat hellen, reinen Klang, zu schön für düsteren Rock. Und doch, immer wieder holen interessante, schräge, ungewöhnliche und eigenwillige Passagen alle Aufmerksamkeit zurück, in allen sechs Songs. Bestes Beispiel ist "Jens in Afghanistan", das als harmloses Geplänkel beginnt, mit langem militärischen Intro, das in seiner historischen Note und leichten Beschwingtheit weniger an Afghanistan und aktuelle, moderne Kriegssituation als an napoleonische Kriege in historischen Zeiten denken lässt, oder eher an die Vorstellung französischer Filmemacher, die das schöne Landleben samt saftiger Bräute gegen das Lotterleben des marschierenden Militärs setzen, um ihre entspannte Komödie für Leib und Seele schmackhaft zu machen. Als Kriegskritik taugt der Song kaum, selbst nicht, als später ein düsteres Progressive Rock-Thema daraus wird, dessen verspielte Jazztrompete gegen die atonalen Keyboards (Gitarre?) anspielt, was sehr ansprechend wirkt. Die verlorene Stille von "Sergeant Pepperoni" lässt wieder Gitarrensolojazzgemetzel übers flotte Thema laufen: trotz aller sich entwickelnden Lautstärke bleibt die düster verhangene Stimmung tiefer als melancholisch leise. Eher, so wirkt es, versteckt sich Robin Taylor hinter seiner Musik, als dass er durch sie sicht- und begreifbar wird. So ist "Worn out" trotz eigenartiger Körperlosigkeit und Fremdheit in allem ein seltsam ansprechendes Album voll verwunschener Musik: der Dornenwust um Dornröschens Schloss. Nun also rauf aufs Pferd, das Schwert gezückt und den Dornen der Garaus gemacht!
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2013