CD Kritik Progressive Newsletter Nr.78 (08/2013)
Poor Genetic Material - A day in June
(52:33, QuiXote Music, 2013)
Beim Vorgänger "Island noises" war die Umsetzung einer Shakespeare Thematik das treibende Element bei Poor Genetic Material, der Nachfolger setzt sich wiederum mit einem literarischen Vorbild auseinander. Als Inspirationsquelle diente dieses Mal James Joyces Roman "Ulysses", was ebenfalls als Plattform diente, um einen lange gehegten Plan, nämlich die Zusammenarbeit von Phil Griffiths (ex-Alias Eye) und seinem Vater (ex-Beggars Opera) als wechselnder Leadsänger auf einem Album umzusetzen. So teilen sich beide bei drei Tracks den Gesang, während jeder von ihnen bei zwei Titeln die alleinige stimmliche Führungsrolle übernimmt. Trotz der gesanglichen Fertigkeiten der beiden Griffiths, ist A day in June kein reines Vokalalbum, denn dafür stand bei Poor Genetic Material schon seit jeher die weichgezeichnete sinfonisch-progressive Melodik im Fokus. Dabei setzen die beiden prägenden Akteure der Band, nämliche Gitarrist / Bassist Stefan Glomb und Keyboarder Philipp Jaehne, die Musik nicht nur bestens und überaus mannschaftsdienlich ins Szene, sondern sie nehmen sich selbst erstaunlich weit zurück. Das Material ist keineswegs zu keyboardlastig, noch nimmt die Gitarre eine zu dominante Rolle ein, sondern es ist vor allem Flötistin Pia Darmstaedter, die die wenigen prägnanten Soloparts übernimmt. Gitarre und Keyboards bekommen natürlich trotzdem genügend Raum für eigene Ausgestaltung, aber dennoch ist dieses Album wieder mal vom gemeinschaftlichen Zusammenspiel, von einer unaufgeregten Eleganz und wunderbaren Harmonien geprägt. Dabei gelingt vor allem eine atmosphärische Dichte, die mehr auf schwebend-verschnörkelte Arrangements, denn auf instrumentale Dominanz setzt. Das Miteinander wirkt gereift, ohne jegliche Selbstverliebtheit, sondern zielt mehr auf die wirkungsvolle, immer hochmelodische Ausdruckskraft der Musik. "A day in June" ist, wenn man es simpel auf den Punkt bringen möchte, einfach nur schön. Ein überzeugendes Gesamtwerk, das diesem Bandprojekt ein gehöriges Maß an Können und Eigenständigkeit attestiert.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2013