CD Kritik Progressive Newsletter Nr.77 (03/2013)
Oblivion Sun - The high places
(41:49, Prophase Records, 2012)
Dass Künstlern, die über Jahrzehnte im Prog Business aktiv sind, solch eine covermäßige Entgleisung unterläuft (gemalte Fantasylandschaft mit einer elfengleichen Schönheit in weißem Gewand), ist zwar ein fast schon unentschuldbarer Fauxpas, der jedoch glücklicherweise sehr schnell durch die Qualität der Musik wieder wettgemacht wird. "The high places" nennt sich das zweite Album von Oblivion Sun, hinter dem sich u.a. die beiden Happy The Man Urgesteine Stan Whitaker und Frank Wyatt verbergen. Die beiden setzen mit Bassist David Hughes und Schlagzeuger Bill Brasso ihren musikalischen Werdegang fort, der wie von den letzten Produktionen gewohnt (ob nun als Wyatt-Whitaker oder Oblivion Sun) auf geschmackvollen, souverän eingespielten Progressive Rock alter Schule setzt. Im Vergleich zu Happy The Man steht die Gitarre und ebenso der Gesang mehr im Fokus, selbst wenn sich ein Großteil der Musik von Oblivion Sun durch die instrumentale Kraft definiert. Ebenso sind Canterbury-artige, leicht jazz-rockige Verspieltheiten mehr unterschwellig anzutreffen, vielmehr setzt man auf sinfonische Power in keineswegs nur rückwärts gerichteter Spielweise. Das ist somit längst nicht so verkrampft Retro, wie man dies von anderen aktuellen Aktivisten der 70er Prog Vergangenheit kennt, sondern die Musik hat Frische, Eleganz und vor allem logische Strukturen. Da ist selbst Platz für eine balladenhafte, akustische 2½-minütige Nummer, die dennoch nicht wie ein Fremdkörper wirkt, während am anderen Ende der Skala der epische Titelsong steht. Das über 22-minütige "The high places" wurde von den Musikern dann auch kurzerhand als ihr "Supper's ready" tituliert. Doch der Vergleich hinkt natürlich komplett, denn bis auf die ausufernde Spieldauer und ein mehrteiliges Arrangement sind hier keine inhaltlichen Ähnlichkeiten zu finden. Dieses Magnum Opus besticht vielmehr durch seinen harmonischen, in sich logischen, qualitativ hochwertigen Aufbau, verliert sich nicht in inhaltlichen Brüchen und dem Abhaken von bekannten Versatzstücken. Schlichtweg ein stimmiger Longsong, der nicht künstlich aufgebläht wurde. Zwar nehmen sich Whitaker und Wyatt immer wieder Zeit für ihre Produktion - das Debüt von Oblivion Sun erschien bereits 2007 - doch steht hier eindeutig Qualität vor Quantität. Und drauf haben es die beiden Prog Haudegen immer noch.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2013