CD Kritik Progressive Newsletter Nr.77 (03/2013)
Anyone's Daughter - Anyone's Daughter
(55:23, Tempus Fugit, 1980/2012)
Anyone's Daughter - In Blau
(62:29, Tempus Fugit, 1982/2012)
Anyone's Daughter - Neue Sterne
(57:45, Tempus Fugit, 1983/2012)
Anyone's Daughter - Live
(42:19 + 43:19, Tempus Fugit, 1984/2012)
Auch wenn die früheren Alben von Anyone's Daughter bereits vor einigen Jahren auf CD erschienen, so macht die aktuelle Widerveröffentlichung durchaus Sinn. Zum einen waren die Alben "Anyone's Daughter" (1980), "In Blau" (1982), "Neue Sterne" (1983) und "Live" (1984) seit geraumer Zeit nicht mehr erhältlich, zum anderen wurden die vorliegenden Ausgaben sorgfältig remastert, mit Bonustiteln und erweitertem Booklet versehen und im Fall von "Live" war dieses Album in der Reproduktion der kompletten Vinylausgabe, ohne das Weglassen von einigen Titeln, im digitalen Format als Doppelalbum bisher noch gar nicht erhältlich. Anyone's Daughter gehörten Ende der 70er, Anfang der 80er zu den Local Heroes im Südwesten, wobei man vor allem mit "Moria", aber auch mit "Viel zu viel" sogar zwei veritable Radiohits beim SDR hatte. Auf den vier Alben, die nach langen Verhandlungen mit den Nachlaßverwaltern der ehemaligen Firma Intercord / Spiegelei endlich wieder für einen begrenzten Zeitraum als CD erhältlich sind, vollzieht die Band eine langsame Wandlung vom sinfonischen Rock mit englischen Texten hinzu zu verträumten, teils dem Zeitgeist geschuldeten, Rock, der auf die deutsche Sprache setzt. Das titellose, zweite Album enthält neben dem bereits zuvor erwähnten "Moria" einen wunderbaren Mix aus zurückhaltenden Arrangements, sowie rockig-sinfonischem Art Rock, der zwar stellenweise an die britischen Vorbilder erinnert, aber dennoch auf genügend Eigenständigkeit baut und als verspieltes Kleinod der frühen 80er durchgeht. Zwar haben die Musik und auch der Gesang einen unterschwellig erkennbaren deutschen Einschlag, trotzdem ist dieses noch komplett in Englisch eingesungene Album von wunderbaren, elegischen Momenten und zerbrechlicher Schönheit geprägt. Im Vergleich zum Debüt und zur Hesse Vertonung "Piktor's Verwandlungen" ist "Anyone's Daughter" wesentlich songorientierter und verzichtet bis auf das über 8-minütige "Another day like superman" auf zu ausladende Momente. "In Blau" zählt nicht zu Unrecht in Fankreisen neben "Piktor's Verwandlungen" zu den absoluten Favoriten. Es ist das erste Studioalbum, das komplett in deutscher Sprache gehalten ist. Es gelingt darauf eine beeindruckende Verschmelzung von völlig unpeinlicher Lyrik und anspruchsvollen Arrangements. Das dreiteilige, über 15-minütige "Tanz und Tod" wurde live immer wieder mit unterschiedlichen instrumentalen Mittelteilen eingespielt und gehörte lange Zeit zu den Konzert Highlights der Anyone's Daughter Konzerte jener Zeit. Doch auch der sich dramatisch steigernde Opener "Sonnenzeichen - Feuerzeichen", das fragile, schwelgerische "Für ein kleines Mädchen" oder das rein instrumentale "La la" machen aus diesem Album ein absolut signifikantes Statement im Bereich progressiv-sinfonischer Rockmusik in deutscher Sprache. "Neue Sterne" erschien fast parallel zur damals in vollem Schwung befindlichen Neuen Deutschen Welle. Zwar sind die Arrangements direkter und einfacher, teilte sich die ursprüngliche LP in eine songorientierte und eher verspielte, sinfonische Seite auf. Doch auch wenn das Album zum Teil etwas einfacher ausgefallen ist und die Melodien gut ins Ohr gehen, so ist man noch meilenweit von den Plattitüden und Banalitäten deutscher Rockmusik jener Zeit entfernt. Zwar das schwächste Album von Anyone's Daughter aus den 80ern, aber dennoch irgendwie charmant und immer wieder schön anzuhören. Das auf Vinyl als Doppelalbum erschienene "Live" war bisher in der digitalen Ausgabe nur mit Teil 1 von "Tanz und Tod" und lediglich als Einzel CD erhältlich. Die jetzige Veröffentlichung beinhaltet endlich die komplette Doppel LP und zudem als Bonus noch einige eher als historisch zu betrachtende Livevideos aus jener Zeit. Man bekommt hier einen sehr guten Querschnitt der Historie von Anyone's Daughter geboten. Zwar ohne jegliche Ausschnitte von "Piktor's Verwandlungen", dafür mit einigen Titeln, die man nur live einspielte und die es auf keinem Studioalbum zu hören gibt. Alle Neuauflagen wurden mit erweitertem Booklet, ergänzenden Linernotes und mit jeweils entsprechenden Liveaufnahmen aus jener Zeit ergänzt. Eine lohnenswerte Anschaffung!
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2013