CD Kritik Progressive Newsletter Nr.77 (03/2013)

Guapo - History of the visitation
(42:17 + DVD, Cuneiform Records, 2013)

Ähnlich wie bei Godspeed You! Black Emperor kommt die Rückkehr von Guapo eher überraschend und recht unerwartet. Der Vorgänger "Elixirs" erschien bereits 2008, Mit-Bandgründer Matt Thompson verließ die Band bereits vor einiger Zeit, der langjährige Keyboarder Daniel O'Sullivan verabschiedete sich auch noch 2011, so dass damit das Ende der Band endgültig besiegelt schien. Doch hatte man dabei nicht mit dem musikalischen Überlebenswillen von Schlagzeuger David Smith gerechnet, der mittlerweile die letzte und einzige Konstante im Bandgefüge ist. Er reformierte Guapo erneut in instrumentaler Quartettbesetzung Keyboards / Bass / Gitarre / Schlagzeug und brachte unterstützt von diversen Gastmusikern eine neue, sehr spannende Reinkarnation der Formation zum Laufen. War es in den vergangenen Alben vor allem der offensichtliche Zeuhl Einschlag, der Guapo dominierte, so ist die aktuelle Besetzung vermehrt in avantgardistischen, kammermusikalischen Gefilden unterwegs. Der 26-minütige Opener "The Pilman radiant" ist z.B. ein gewagter Monolith aus gnadenloser Klang Ästhetik und Chamber Prog ganz in der Tradition von Present und Univers Zero. Leicht verdaulich war die Musik von Guapo noch nie, mit jeder Menge düsterer Kammermusik und anschwellender Minimalistik, sowie dramatischer Instrumentalakrobatik wird hier jedoch die Musik schwerpunktmäßig nochmals leicht neu ausgerichtet. Die sperrigen, hypnotischen Klangkaskaden werden durch schwermütigen Jazz Rock verfeinert und besonders die Gitarre bekommt wesentlich mehr Entfaltungsmöglichkeiten zugestanden. Guapo bestechen einmal mehr durch eine ganz eigene Atmosphäre, die packend, sehr dicht und überaus eindringlich wirkt. Trotzdem ist dieses Album kein kompletter Neuanfang, denn bereits auf "Elixirs" konnte man andere musikalische Schwerpunkte erkennen, die hier nur konsequent und radikaler fortgeführt werden. Als Bonus ist übrigens eine DVD enthalten, die noch Liveaufnahmen vom NEARfest 2006 und der 2007er Ausgabe des RIO Festivals in Carmaux enthält.

Kristian Selm



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