CD Kritik Progressive Newsletter Nr.77 (03/2013)

Godspeed You! Black Emperor - 'Allelujah! Don't bend! Ascend!
(53:08, Constellation, 2012)

Gänzlich ohne Vorwarnung kehrten Godspeed You! Black Emperor nach 10-jähriger Albumpause im Herbst 2012 mit einem neuen Studioalbum zurück. Doch das passt irgendwie ins Bild, denn dem kanadischen Musikerensemble gelang es seit jeher, sich komplett den normalen Gesetzen der Musikindustrie zu widersetzen. Man verzichtet auf Promobilder, seltene Interviews gibt es nur mit ausgewählten Gesprächspartnern ausschließlich per Email, doch vielleicht macht gerade dieser Mythos der kompletten Verweigerung der üblichen Marketingstrategien die Band ebenfalls für die größeren Medien interessant. Zuvorderst steht jedoch noch immer die Musik, die trotz leichter Veränderungen als typisch für diese Band einzuordnen ist. Das wieder mal recht kryptisch und nicht gerade verständlich gestaltete Layout bzw. Booklet setzt dafür die Tradition früherer Veröffentlichungen konsequent fort. Die vier Stücke auf diesem Album leben einmal mehr vom Ab- und Anschwellen von Klangkaskaden, von heftigen Krachkonglomeraten, die sich wie Berge auftürmen, zu denen sich als krasser Gegensatz zerbrechliche Notenfolgen entgegenstellen. Aufbauen, zerstören, einreißen - viel funktioniert hier über die hypnotische, monolithische Atmosphäre, über die Spannungstiefe der langsamen, monotonen Fortentwicklung und das tiefe Eintauchen in sich überlagernde, repetitive Soundfragmente. In erster Linie dominieren die Gitarren dieses Album, die aber um einiges heftiger, sperriger und vor allem direkter im Vergleich zu den Vorgängerwerken ausgefallen sind. Übertrieben formuliert sind Godspeed You! Black Emperor jetzt auf dem psychedelischen Heavytrip des Post Rocks unterwegs. Trotzdem kann man sich der dramatischen Faszination von treibenden Klangmonstern wie dem knapp 20-minütigen "Mladic" nur schwerlich entziehen, wobei man überraschenderweise auch zwei kürzere, nur knapp 6½-Minüter präsentiert, die konzentrierter in die Gänge kommen. In überschaubaren Dosen kann dieser wohl durchdachte Endzeitkrach überzeugen, benötigt dafür als Gegenleistung aber ein eigenes Ein- und Zulassen.

Kristian Selm



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