CD Kritik Progressive Newsletter Nr.77 (03/2013)
Gert Emmens Project - Memories
(77:50, Groove Unlimited, 2012)
Erst einmal sticht das bunte Cover ins Auge, das in seiner Machart irgendwie bekannt vorkommt. Und tatsächlich, "cover & art design by Ed Unitsky" ist da zu lesen. Fragt sich, ob die Musik ähnlich farbenfroh gestaltet ist. Gert Emmens hat sich als eine feste Größe in der Elektronik-Szene etabliert und sich mit einer Vielzahl exzellenter Elektronik-Alben (siehe auch vorangegangene Kritik) einen Namen gemacht. Nun hat er sich vorgenommen, seine Fühler mal in andere Bereiche auszustrecken - und lässt dies unter dem Zusatz Gert Emmens Project laufen. Da er selbst mit Progressive Rock Musik aufgewachsen ist, war es ihm jetzt danach, mal etwas in Richtung Prog zu machen. Man kennt ja mittlerweile einige Soloalben von Prog-Keyboardern, die mal ein Elektronik-Album herausbringen wollten - hier liegt mal ein umgekehrtes Beispiel vor. Emmens hat alles im Alleingang eingespielt (inklusive ein paar Gesangsparts) und wurde lediglich von einer Sängerin, die sich "Cadenced Haven" nennt, unterstützt. Ich beginne mal mit dem Negativen: der Rhythmus ist programmiert, was aber auch nicht weiter verwundert, da dies bei Elektronikmusikern so üblich ist. Im EM Genre fällt dies auch meist nicht ins Gewicht, aber hierbei handelt es sich ja um ein Prog-bezogenes Album - und da ist das nicht so leicht vermittelbar. Als brauchbarer Anhaltspunkt mögen an diesem Punkt die Soniq Theater Alben taugen - etwas in der Art hat der Hörer in Sachen Rhythmik zu erwarten. Das war es aber auch schon an kritischen Bemerkungen, denn den Rest macht Herr Emmens sehr gut. Na ja, die (wenigen) Gesangsparts sind jetzt nicht unbedingt als Kaufargument geeignet, gehen aber weitgehend in Ordnung. Die Kompositionen sind gut gelungen - dass jetzt irgendein Name eines bekannten Prog-Keyboarders fallen muss, ist irgendwo logisch. Ich lese im Netz als Einflüsse Camel, Genesis, UK etc. - was ich vor allem als Erstes heraushöre, ist ganz klar Tony Banks. Viele Abschnitte erinnern mich sehr stark an einen Tony Banks etwa zu "Duke"-Zeiten. Aber manche Moog Soli mögen durchaus auch Parallelen zu den Spielarten von Patrick Moraz oder Eddie Jobson haben. Auch diese speziellen Sounds des Kaipa Keyboarders Hans Lundin tauchen mal auf. Das Album kann einige sehr schöne Melodien vorweisen, und natürlich gibt es auch gelegentliche Mellotronsounds, die gut ins Konzept passen. Man merkt dem Album an, dass Emmens ein durchaus fähiger Keyboarder ist, manche Sektionen könnten auch glatt als Instrumentalparts innerhalb eines typischen Prog-Longtracks durchgehen. Insofern ist ihm sein EM-Prog-Ansatz durchaus gelungen. Allerdings würde ich mir für ein nächstes Progalbum etwas mehr Konsequenz wünschen, was bedeutet: Einsatz eines echten Schlagzeugers (dass das gut funktionieren kann, zeigt das Beispiel Computerchemist weiter vorne im Heft) und vielleicht auch ein paar echte Gitarrenparts. Ich bin sicher, Emmens kann sich diesbezüglich noch steigern und von daher freue ich mich schon auf Nummer 2 des Gert Emmens Project.
Jürgen Meurer
© Progressive Newsletter 2013