CD Kritik Progressive Newsletter Nr.77 (03/2013)
Julie Slick - Terroir
(53:19, Privatpressung, 2012)
Robert Fripp hat sich ganz offiziell auf sein Altenteil zurückgezogen und das Kapitel King Crimson scheint wohl endgültig beendet. Dennoch muss man nicht auf diese Art von Musik verzichten und deshalb lebt sein musikalisches Gedankengut einfach bei anderen Künstlern weiter. Julie Slick konnte bereits auf ihrem 2010er Debütalbum mit crimsonesken Momenten überzeugen, spielte anschließend mit ihrem Bruder beim Belew Power Trio zusammen mit Adrian Belew und hat nun ihr zweites, wiederum beeindruckendes Soloalbum vorgelegt. Wie bereits beim Vorgänger sind auch an dieser Stelle jede Menge namhafte Gastmusiker am Start, wie z.B. Pat Mastelotto, Adrian Belew (beide mit King Crimson Vergangenheit), David Torn oder Marco Minnemann. Natürlich bekommt man einige Basslinien und atmosphärische Tonfolgen zu hören, die man so von der King Crimson Besetzung seit den 80ern kennt. Doch kommt Julie Slick ohne die gewollt konstruierte Musikmathematik aus, wirkt die dynamische Instrumentalvollbedienung trotz gewisser Sperrigkeit und schrägen Dissonanzen insgesamt organischer und wärmer. Zudem sind die 10 Tracks keine alleinige Huldigung eines einzigen musikalischen Vorbildes, es gibt jede Menge musikalische Ausbrüche mit ganz eigener Denkweise. Gerade die großen inhaltlichen Unterschiede unterstreichen die Sichtweise von Slick, die sich vor allem als Fan des Gesamtkunstwerks "Album" sieht. So lässt manch interessanter Basslauf immer wieder aufhorchen, aber "Terroir" ist definitiv kein Album mit reiner Tieftöner Dominanz, noch ein allein technisches Machwerk. Loops, sachte Elektronik, tonale Gitarren, ätherische, lautmalerische Vokalpassagen und ein gewisses Maß an musikalischer Exotik benötigen vor allem Zeit für ernsthaftes Zuhören. Nichts für den schnellen Nebenbeigenuss.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2013