CD Kritik Progressive Newsletter Nr.76 (11/2012)
Mystery - The world is a game
(59:58, Unicorn Digital, 2012)
Nachdem Benoît David auf etwas unelegante, aber irgendwie typische Weise bei Yes rausgekegelt wurde bzw. freiwillig ausgestiegen ist, kann er sich wieder ganz auf seine gesanglichen Aktivitäten bei Mystery konzentrieren. Und hier ist er wirklich sehr gut aufgehoben, muss er sich nicht immer als Jon Anderson Ersatz profilieren, sondern wirkt er stimmlich wesentlich eigenständiger. "The world is a game" ist eine gelungene Fortsetzung vom 2010er Werk "Among the living". Wiederum setzen die Mannen um Michel St.Pere, dem Mastermind und Unicorn Digital Boss, auf namhafte Mitstreiter wie z.B. Nick D'Virgilio, David Myers (Ex-The Musical Box) oder Antoine Fafard (Spaced Out), ohne dass die kanadische Band dabei ihre eigene Identität aufgrund der Gäste zurücknimmt. Das Material auf diesem Album ist feinster, melodischer Edel Prog, der zwar ohne jegliche Überraschungen und Widerhaken auskommt, aber handwerklich und vor allem kompositorisch überaus gelungen und perfekt in Szene gesetzt die Sinne erfreut. Gerade die frühere Verbindung von Mystery zum Melodic Rock bzw. AOR findet sich auch heute noch in abgeminderter Form wieder, vom guten Journey-Klone der Vergangenheit hat man sich inzwischen aber komplett befreit. So wird der melodische Bombast in den richtigen Momenten in überschäumende Euphorie gesteigert, die Melodien greifen sofort beim ersten Mal, ohne gänzlich in esoterische Duselei oder Plattitüden abzugleiten. Auch wenn hier nichts neu oder innovativ ist, sich das Gefühl der Bekanntheit auf Anhieb einschleicht, ist das doch so gut und versiert gemacht, dass man irgendwie mitgerissen wird. Mystery punkten mit sympathischem Überschwang, mit einem leicht melancholischen Unterton und elegischer Nonchalance, die ehrlich von Herzen kommt und nicht aufgesetzt bzw. kalkuliert wirkt. Selbst bei Songlängen von über 19 Minuten beim abschließenden "Another day" verlieren sich Mystery niemals in ausufernder, plakativer Instrumentalakrobatik, sondern hier gilt ebenfalls das Prinzip "weniger ist mehr". Geschmackvoll weichgezeichnet ist "The world is a game" damit ein absoluter Gewinner für alle, die es progressiv kuschelig und griffig mögen. Und dies ist keineswegs abschätzig oder überheblich gemeint.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2012