CD Kritik Progressive Newsletter Nr.76 (11/2012)
The Gathering - Disclosure
(51:45, Psychonaut Records, 2012)
Auf Album zwei nach dem Ausstieg von Anneke van Giersbergen sind The Gathering mit Silje Wergeland endlich in eigenen Gefilden angekommen. War der 2009er Vorgänger "The West Pole" ein gutes, aber trotzdem irgendwie auf Sicherheit zielendes Album, so entfernt sich "Disclosure" viel mehr aus den bekannten musikalischen Terrains, die die Holländer bisher beackerten. Doch keine Angst, trotzdem klingt selbst dieses Album immer noch irgendwie typisch nach The Gathering, jedoch hört man bei einigen Titeln etwas andere Einflüsse als bisher gewohnt. Dabei sollte man selbstverständlich immer im Hinterkopf haben, dass The Gathering in erster Linie von den beiden Rutten Brüdern gelenkt werden und wurden und sie es vor allem zusammen mit Frank Boeijen sind, die den Sound und den Weg der Band seit den 90ern maßgeblich bestimmten, die jeweiligen Sänger bzw. Sängerinnen nur ein Teil des Ganzen sind. "Disclosure" ist geprägt von melancholischem, mitunter sehr zugänglichem, teils sehr ausschweifendem Alternative Rock, der nur wenig mit dem Gothic / Art Rock zu tun hat, der der Band Mitte der 90er ihren musikalischen Durchbruch bescherte. Zudem sorgen etwas kaputte, schrammelnde Sounds, das Einflechten von Gastmusikern an Trompete, Violine und Cello und sowie experimentierfreudiges Songmaterial in Breitwandformat - gleich drei Titel tickern jenseits der 7 Minuten - für musikalischen Freiraum, für das Ausleben von neuen Ideen. "Disclosure" ist ähnlich wie das 98er Werk "How to measure a planet?" das Ausloten von neuen Betätigungsfeldern. Hinzu kommt, dass der Gesang von Silje Wergeland nicht mehr wie ein plattes Abziehbild ihrer Vorgängerin klingt, vielmehr sind ihre Gesangslinien wesentlich eigenständiger und origineller ausgefallen. "Disclosure" vereint elektronische Einflüsse und ergreifende Melancholie, düstere Stimmungen und atmosphärische Euphorie zu einem neuen, etwas anderen Sound voller Dynamik. Trotzdem schwingt bei diesem Album etwas Einzigartiges mit, das man als eigene Note im Stil von The Gathering identifizieren kann. Ein mutiger Neuanfang, der Lust auf mehr macht.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2012