CD Kritik Progressive Newsletter Nr.76 (11/2012)

Keith Emerson, Marc Bonilla, Terje Mikkelsen - Three Fates Project
(68:17, Edel Records / Victor Entertainament, 2012)

Nun ist China auch schon ein geeigneter Nährboden für progressiv-musikalische Vernetzungen. Im Jahre 2007 trafen sich Keith Emerson und der norwegische Dirigent Terje Mikkelsen zufällig in China bei Inszenierungen ihrer klassischen Arbeiten. Sie hatten gegenseitigen Respekt vor ihren Aufführungen und spürten in Gesprächen eine leidenschaftliche Gesinnungsverwandtschaft. Nachdem auf Empfehlung von Keith Emerson zwecks gemeinsamer Zusammenarbeit Terje Mikkelsen im Jahre 2009 Kontakt mit Gitarrist Marc Bonilla aufnahm, wurde das magische Musiker-Dreieck komplettiert. Während des ersten Telefonats mit Marc Bonilla spürte Mikkelsen, dass er genau der richtige Typ für das geplante Projekt ist. Nachdem die letzten Produktionsfeinheiten in L.A. unter Dach und Fach gebracht wurden, attestierte der Orchesterdirigent Marc Bonilla eines der fantastischsten Gitarrenspiele, die er je gehört hat. Nun aber zum Eingemachten. Man hört hier die komplette Keith Emerson Band mit Travis Davis am Bass sowie Troy Luccketta bzw. Toss Panos an den Drums. Außerdem das 63-köpfige Münchener Rundfunkorchester unter der Leitung von Terje Mikkelsen. Geboten werden neue Interpretationen von ELP-Klassikern wie "The endless enigma", "Tarkus" oder "Fanfare for the common man". Außerdem neue Kompositionen von Marc Bonilla ("Walking distance" und "The morning sun") und neue Arrangements von Alberto Ginastera's "Malambo" oder Marc Bonilla's "American Matador". Standesgemäß bin ich nicht für neu arrangierte Prog Rock-Klassiker zu erwärmen. Die Originalversionen gewinnen bei mir fast immer im Vergleich. Aber diese Scheibe belehrt mich eines Besseren. Denn hier wird eine richtige Fusion zwischen Prog Rock-Band und großem Orchester in Szene gesetzt. Die altbekannten ELP Stücke erscheinen in neuem Licht und Glanz, und dürfen in diesem Fall gleichberechtigt neben den Originalversionen bestehen. Das Orchester versüßlicht die Kompositionen nicht, sondern inszeniert sie in einer alternativen abwechslungsreichen Darbietung. Und die Keith Emerson Band sorgt für die besondere Würze und Prise mit ihren rockigen Untermalungen. Gesungen wird hier nicht, dafür übernimmt die zuweilen messerscharf gespielte Gitarre von Marc Bonilla immer mal wieder die Führung. Das hat wirklich Klasse, wie der amerikanische Saitenzauberer aus San Francisco hier für farbenprächtige Soundfeinheiten sorgt. Und Keith Emerson habe ich seit seiner Nervenerkrankung in der rechten Hand nicht mehr so beherzt spielen gehört. Wer mal wieder Lust auf orchestrale Prog Rock-Musik hat, sollte mit dem "Three Fates Project" richtig liegen. Mir macht die Scheibe jedenfalls Spaß.

Wolfram Ehrhardt



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