CD Kritik Progressive Newsletter Nr.76 (11/2012)

District 97 - Trouble with machines
(55:03, Laser's Edge, 2012)

Der Zweitling der Chicagoer Band um Leslie Hunt und Jonathan Schang wartet zunächst mit einer Enttäuschung auf. Katinka Kleijn, die den Erstling "Hybrid child" mit ihrem knarzigen Cello prägte, ist nur noch bei einem Stück als Gastmusikerin zu hören. Dafür konnte man John Wetton zu einer kleinen Gesangseinlage im Stück "The perfect young man" überreden. Leider kann man auch zum Debüt keine Entwicklung feststellen. Die Band spielt komplexen Rock mit Metal Einschlag à la Dream Theater (Drums, Gitarrenriffs, Keyboards) und jazzigen Passagen (Drums, Gitarrensoli, Gesangsarrangements), die in ihren besten Momenten an U.K. in der Inkarnation Bruford, Jobson, Holdsworth, Wetton denken lassen. Dabei fehlt District 97 trotz aller Power die letzte Lockerheit um mitzureißen. Zu schematisch wirken die Musiker, zu sehr auf Komplexität getrimmt wirken die Kompositionen. Und das erdende Cello des Debüts ist von Bord. Zusammengehalten wird die klinische Produktion vor allem durch Leslie Hunt, die ihre Jazz-Wurzeln kaum verhehlen mag und Gesangsmelodien vorträgt, bei denen sich die meisten Sänger/innen die Zunge brechen würden. Das ist so stark, dass einer Platte von der ich viel mehr erwartet hätte, auch aufgrund der spielerischen Klasse der Combo, doch noch ein gutklassiges Niveau erreicht. Der Mix aus Rückbezügen auf experimentellen Retro Prog und komplexen Metal Passagen steht relativ einzigartig im modernen Prog da. Bombasteinschübe und ein Hauch Stadionrock-Atmosphäre runden diese Besonderheiten ab. Doch schafft es die Band einfach nicht ihre Möglichkeiten auszureizen. Dafür ist der Sound zu "clean" und die Kompositionen nehmen immer mindestens eine Abzweigung zu viel. "Wir können richtig was an den Instrumenten, und das zeigen wir verdammt noch mal auch!" Weniger ist manchmal mehr? Ja, unbedingt. Immer dann, wenn die Band einfach mal geradeaus musiziert, erinnert sie mich an Moetar. Doch wo diese Truppe verspielt, erdig, regelrecht selbstironisch und songorientiert daherkommt, spielt sich District 97 zu häufig in einen selbst verliebten Rausch, nimmt sich zu ernst, ist ein wenig ziellos. Beispielhaft Wettons Auftritt, der zu einer gelungenen Piano-Untermalung Sprechgesang abliefert, ehe sich der großartige Ansatz (viel zu schnell) zu einem Instrumental-Gegniedel überflüssigster Güte entwickelt. Wetton geht unter, sein Beitrag verkommt damit zum "product-placement". Zu wenig Stil, zu viel "tamtam". Keine Missverständnisse; diese Kritik ist vor allem deshalb so "schlechtgelaunt", weil ich die Band sehr schätze und höchste Erwartungen an sie stelle. Das Debüt war gutklassig, lediglich mit "Kinderkrankheiten" behaftet. Diese wähnte ich nach ausgiebigen Touren abgestellt. Leider ist dem nicht so. Das erkennt man auch in der limitierten Erstauflage, welche von einer ordentlichen Live DVD begleitet wird. Da stehen vier extrem junge Prog-Nerds auf der Bühne, wackeln verschämt mit den Köpfen und scheinen sich nichts sehnlicher zu wünschen, als an ihren PCs an neuen Songs zu werkeln. Krasser Gegenpol ist Leslie Hunt die regelrecht glamourös den Show-Part übernimmt und somit unfreiwillig komisch wirkt. Die Frau hat "Performance" bei American Idol gelernt, lebt das aus und schafft im Umfeld ihrer Mitstreiter einen irritierenden Widerpart. Zwar klingt die DVD etwas flach und das Bild ist auch nicht perfekt, aber musikalisch ist das natürlich einwandfrei. Es reißt nur nicht mit, was man auch dem Publikum im bestuhlten Saal ansieht. District 97 ist eine blutjunge Band mit enormem Potential. Talent, Talent, Talent! Sie bringen es nur noch nicht auf Silberling. "Trouble with machines' ist solide, das ist einfach nicht ausreichend für eine Combo, die "the next big thing" werden sollte. Mehr Selbstverständlichkeit, mehr Spielfreude, Mut zur Zurückhaltung, deutlich mehr druckvollen Rock und weniger Instrumental-Onanie, das sind die Ansätze die zu mehr Leichtigkeit führen sollten. District 97 ist ein Versprechen, das "Trouble with machines" noch nicht einlösen konnte.

Fix Sadler



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