CD Kritik Progressive Newsletter Nr.76 (11/2012)

Sigur Rós - Valtari
(54:36, EMI, 2012)

Nur wenige Künstler entfalten momentan einen solch magischen Zauber wie die Isländer Sigur Rós - und auf ihrem neuen Werk "Valtari" tun sie dies mit einer Behutsamkeit, wie man es von ihnen bislang noch nicht gehört hat. Zerbrechlich, fast zärtlich offenbaren sich die acht Stücke und versetzen einem in eine melancholische, zutiefst emotionale Stimmung, aus der man nach Verklingen des letzten Tones fast verwirrt und mit einem Gefühl der Leere bzw. des Verlusts aufschreckt. Zumeist sehr ruhig, oft minimalistisch und vor allem gegen Ende des Werks rein instrumental bzw. manchmal nur mit sanften Klavierklängen kreieren die exzentrischen Isländer ihr eigenes musikalisches Universum. Wie üblich nehmen sie sich Zeit für ihre Stücke, die eigenwilligen Themen können sich in Ruhe entfalten und gipfeln gelegentlich - wie bei "VarúÐ" - in einem fast eruptiven Höhepunkt. "Valtari" ist in seiner Dichte und Atmosphäre perfekt für neblig-trübes Herbstwetter, wenn die Stimmung sowieso schon gedämpft ist - ideal auf dem Kopfhörer für einsame Wanderungen in nebelumwaberten Wäldern (selbst getestet!). Nicht zum ersten Mal denke ich an die unzähligen Menschen, denen der Zugang zu solch einer Musik ihr Leben lang verwehrt bleibt und die stattdessen lieber den 500. belanglosen Radiohit bejubeln. Wie gut, dass es da solch eigenwilligen Ausnahmekünstler wie Sigur Rós gibt, die mit ihrer Kreativität und Einzigartigkeit die Musiklandschaft fernab der ausgetretenen Mainstream-Klischees ungemein bereichern. Man muss nur den Mut und die Geduld aufbringen, sich solch einem intensiven, vielleicht auch verstörenden Klangerlebnis auszusetzen.

Joachim Müller



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