CD Kritik Progressive Newsletter Nr.76 (11/2012)
Autumn Chorus - The village to the vale
(52:09, Fading Records / AltrOck Productions, 2012)
Zwar wirkt das Cover in seiner ländlichen Naivität, als stamme es aus Kinderhand, doch so weich der Pinsel, so zart die Klänge auf "The village to the vale". Autumn Chorus, die Band aus Brighton, pflegt Stimmungen aus lasziv ambienter Stille, zartem Folkrock, als stamme die Inspiration aus dem Jahr 1971 und alternativ angehauchtem Post Rock. Im Mittelpunkt und ganz markant tritt dabei die Stimme des Sängers Robbie Wilsons auf, der ebenfalls für die symphonisch schwebenden Orgelsounds zuständig ist, der prophetischen Trompete großartige Stöße entlockt, und an der weniger auffälligen Gitarre steht. Doch zuerst ist sein schmelzender Gesang, oftmals im Chorgesang mit sich selbst, gesampelt, übereinander gelegt, gedoppelt, auf harmonisierenden Gesangslinien oder solo wie ein Solitärbaum auf romantischer Wiese DAS Gros der symphonischen Folksongs. Wie muss er da stehen, am Mikrophon, lässt sich baumeln, entschwebt der Wirklichkeit und singt sich in Trance? Nicht anders. Seine helle Stimme fließt über die streichelzarten Songs, und diese, schon ohne ihn, schmachten genüsslich dahin, satte Farben in lichtem Schein, und zur Band Luke Foster (dr, perc, p), Peter Evans (b, Glockenspiel) und Chris Lloyd (g, thump p) neben Robbie Wilson steigen Viola, Flöte und Chorsänger ein. Was steht im Booklet: a loving dedication. Erstaunlich, wie anders im südenglischen Brighton düster-milde Melancholie ausgedrückt wird als im skandinavischen Norden, wo grimme Winter und endlose Wälder samt Trollen und mystischen Wesen die Phantasien der Musiker anregen. Und wiederum anders als im verträumten Polen, wo Abenddämmer mit Kinderspiel, Treckerklang und Hundegebell auf dem Dorf die zuckerschwerste Melancholie entfaltet. Als Soundtrack wäre "The village of the vale" zu schwer und ausdauernd, der Film sei lieber imaginär, gedacht, und ein jeder Zuhörer findet andere Streichelbilder. Das Wohlfühlklima setzt nicht einen Song lang aus, selbst nicht, als im 5. Track "Brightening sky" plötzlich das Schlagzeug laut auftritt und erst recht nicht in den verträumt verspielten 16 Minuten des darauf folgenden "Rosa", wo der Schönklang fast in überschwerem Schmalz erstickt. Gerade so noch kriegen sie die Kurve und fahren die Folksymphonie zurück. Zarter und lyrischer muss schöne Musik nicht sein.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2012