CD Kritik Progressive Newsletter Nr.76 (11/2012)
Alan Reed - First in a field of one
(41:45, Privatpressung, 2012)
Alan Reed schaut auf eine rund 30-jährige Geschichte als Musiker im Umfeld des Neo Prog zurück. Angefangen hat alles bei den Genesis-Epigonen Abel Ganz mit denen Reed "Gratuitous flash" (1983) aufnahm um bereits 1985 dem Ruf der Major-Label-Matadore Pallas zu folgen. Bis 2010 stand er der Kultcombo als Sänger und Songwriter vor, ehe sich die Band im Unfrieden sehr überraschend von ihm trennte. Während seiner Zeit bei Pallas war er immer wieder mit Clive Nolan's Strangers On A Train oder Caamora, dem Neo Prog All Star Projekt NEO oder seiner alten Liebe Abel Ganz verbandelt. Sein erstes Solo-Album "Dancing with ghosts" erschien aber erst in 2011. Diese Akustik-EP sollte ein Ausblick auf das folgende "First in a field of one" sein. Man kann Alan Reed getrost als "alten Fuchs" des Genres bezeichnen. Mit Hilfe seines "buddies" Mike Stobbie (der ebenfalls mal Teil der Pallas-Familie war) spielt er fast alle Instrumente selber ein. Lediglich das Schlagzeug kommt von Scott Higham (entliehen bei den Jungs von Pendragon) und ein paar Gastbeiträge kommen von Kalle Wallner (RPWL), Christina Booth (Magenta) und Jeff Green. Zwischen keltischen Motiven, Singer/Songwriter-Akustik-Musik und typischen, etwas angestaubten Neo Prog-Mustern der Achtziger rockt Reed durch seine neun Kompositionen. Vor allem lebt er dabei von seiner ausgezeichneten Stimme, die im Neo Prog-Sektor nach wie vor ihresgleichen sucht. Das hat einen anachronistischen Charme, der sich ja auch schon in der CD-Länge widerspiegelt. Den überbordenden Bombast der letzten Pallas-Alben hat Reed hinter sich gelassen, viel lieber spielt er wesentlich gitarrenbetonter, entschlackt und stimmungsvoll. Die Stücke bewegen sich im liedhaften Bereich zwischen drei und sieben Minuten, dennoch bieten alle Songs im Bereich von fünf Minuten verschiedene Parts und ausreichend Abwechselung um nicht zu langweilen. Besonders überraschend hierbei das "jazzig-relaxte" "The usual suspects", welches sich unvermittelt in einen typischen Neo Prog Kracher wandelt. Hier lebt Reed seine neu gewonnene Freiheit aus. Es lassen sich aber auch ein paar Schwachpunkte ausmachen. So überzeugen die synthetisch erzeugten Orchester-Sounds überhaupt nicht. Besonders auffällig und ärgerlich ist das in dem folkloristischen "Begin again", dem Bodhran, Flöten und Violinen so gut zu Gesicht gestanden hätte. Darüber hinaus fehlt ein wenig die spielerische Brillanz. Reed macht seine Sache an Gitarre, Bass und Keyboards ordentlich, legt aber die Stücke all zu sehr auf seine Stimme aus und bietet damit seinen Kompositionen zu wenig musikalische Freiheit... Insgesamt ist "First in a field of one" keine überzeugende Album-Arbeit, sondern "nur" eine schöne Songsammlung, der man jederzeit das Herzblut anhört, die aber nie den Eindruck eines besseren Demos ablegen kann. Dennoch; wer Alan Reed's Superstimme vermisst hat, wer sich nicht davon abbringen lassen will, dass die achtziger Jahre das beste Jahrzehnt für Prog waren..., wer ganz einfach immer noch Riesenspaß an dem etwas käsigen, aber doch so wunderschönen Melodic Prog hat, für den so Bands wie Comedy Of Errors, Ark, Abel Ganz usw. standen, der ist mit "First in a field of one" hervorragend bedient. Ich mag dieses Album unter anderem, gerade weil es so einen "unfertigen", rückwärtsgewandten Charme hat.
Fix Sadler
© Progressive Newsletter 2012