CD Kritik Progressive Newsletter Nr.75 (07/2012)
Syndone - La bella è la bestia
(46:30, BTF, 2012)
Das traditionelle Volksmärchen "Die Schöne und das Biest" musste bereits für viele Adaptionen herhalten. Die neueste Interpretation stammt von der italienischen Prog Formation Syndone, die sich auf italienische Sichtweise in Sprache und Musik an die Geschichte heranwagen. Kompositorischer Fixpunkt ist in erster Linie Bandleader und Keyboarder Nik Comoglio, der neben der Orchestrierung auch ein mannigfaltiges, meist klassisch analog geprägtes Tastenarsenal (u.a. Fender Rhodes, Hammond, Minimoog) auffährt, während als tragende musikalische Säule Sänger Riccardo Ruggieri dieses Album prägt. Sein facettenreiches Spektrum reicht von gruseligem Flüstern, "normalem" Gesang bis hin zu expressiver Stimmakrobatik und Hard Rock Geshoute. Er versteht es wirklich, sein Organ interessant und vielfältig einzusetzen, bisweilen erinnert seine gewiefte Expressivität an Area Frontmann Demetrio Stratos. Wer nichts mit gesanglicher Ausdrucksstärke anfangen kann, wird hier sicherlich bisweilen an seine Grenzen stoßen. 12 Titel umfasst diese Adaption, wobei ein Großteil der Songs ohne Übergänge ineinander übergehen, man also mehr von einem 46-minütigen Konzeptwerk, als von einzelnen Songs sprechen kann. Der progressive, teils sinfonische Einschlag ist prägendes Stilmittel von Syndone, wobei dem italienischen Trio ein interessanter Brückenschlag zwischen Vergangenheit und einer gewissen musikalischen Aktualität gelingt. Prägend sind dabei vor allem die Keyboards, die in verschiedenen Klangfarben das musikalische Terrain dominieren. Trotz komplett in Italienisch gehaltenen Gesangs und einer gewissen Verspieltheit, lösen sich Syndone von den Grundfesten des Italo Progs, da hier weder auf mediterrane Leichtigkeit gesetzt wird, noch der typische "Canzone italiane" Stil seine Verwendung findet. Alles wirkt ernsthafter, tiefgründiger, eine Spur bedeutungsschwangerer und komplexer als bei vielen anderen italienischen Kollegen. "La bella è la bestia" ist kein Album, das sofort zündet, bei dem man von Anfang an in Erinnerung haftende Strukturen erkennt. Bisweilen fehlt es dem Material an prägnanten Fixpunkten, auch wenn der künstlerische Anspruch und die Umsetzung absolut professionell und ansprechend ausgestaltet wurden. Doch beschäftigt man sich etwas länger mit diesem Album, taucht man tiefer in die Musik ein, so erkennt man dann doch die gewisse Faszination zwischen Weichheit und Expressivität, dem Wandel von fragilen Momenten und ausdrucksstarker Theatralik. Kein leichter Stoff, aber irgendwie doch recht fordernd und intensiv ausgestaltet.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2012