CD Kritik Progressive Newsletter Nr.74 (02/2012)
Pink Floyd - Wish you were here - Immersion Box Set
2 CD - 2 DVD - 1 Blu-Ray - Booklet, Sammlernippes (viele Stunden Musik und Filme und Bilder, EMI, 2011)
Alleine das Auflisten des genauen Inhalts dieser Box würde viele Seiten dieses Magazins füllen. Auch das Besprechen jeder einzelnen CD würde das Heft sprengen. Nun, andererseits ist diese Publikation natürlich für progressive Leser da. Und so werde ich mir Mühe geben, mich a) kurz zu fassen und b) objektiv Einblicke in diese Veröffentlichung zu bringen. Das könnte mir aber schwer fallen. Der Virus Pink Floyd hat mich seit 1976 erfasst. Da war ich 11! Ich hörte bei einem Onkel die LP "Wish you were here" und war völlig fassungslos. Dies war Theater für die Ohren. Und dann war die neue Platte auch direkt kaputt. Was habe ich mich erschrocken, als im Intro zu dem Titelstück der Ton abfiel und die Radiosequenz eingespielt wurde. Zu meinem 12. Geburtstag bekam ich von meiner Mutter diese Scheibe geschenkt. Dies war meine zweite LP in meinem Besitz. Und siehe da, an derselben Stelle war auch sie defekt. Sollte das etwa doch Absicht sein? Seitdem sind viele Jahre ins Land gezogen und heute ist mir bekannt, dass dies so sein muss. Pink Floyd Music Ltd. und EMI scheinen alles richtig gemacht zu haben. Mir sind alleine drei Menschen bekannt, die diese Box besitzen. Und die von "The dark side of the moon". Bericht unmittelbar in dieser Nähe. Bei einem Preis von knapp um ? 100,- ein Batzen Geld. Jetzt kann man sich natürlich über die Kapitalisten aufregen. Allerdings ist mir nicht bekannt, dass es bei uns verboten ist, Geld zu verdienen. Und daher sollte man alles in Relation bringen. Wenn etwas sein Geld wert ist, darf es auch etwas kosten. Und ich werde versuchen, Dich zu überzeugen, dass hier wirklich etwas abgeliefert wird. Nur mal so nebenbei. Auch ich habe Geld für diese Box bezahlt. Der Werbevertrag mit EMI ist bisher noch nicht zustande gekommen. Und damit nicht genug. Ich bin auch ein Sammler. Und gerade "wywh" und "dsotm" haben meinen Jagdinstinkt nachhaltig beeinflusst. Die LP besitze ich mindestens 4 mal, die CD in verschiedenen Versionen mindestens 5 mal. Ich bin überzeugt, damit den Weltmeistertitel noch lange nicht zu haben. Warum also noch mal Geld ausgeben, für etwas, das man schon hat? Die Bierglasuntersetzer sind es nicht. Auch die Murmeln mit Säckchen sind es nicht, geschweige denn der Schal. Die 4 Sammelkarten, den Backstagepass und die beigelegte Eintrittskarte kann man auch nicht hören. Beim 27 x 27 cm großen Druck vom Taucher im Monolake wird es schon interessanter. Das 20seitige Booklet mit Bildern im selben Format bringt dann schon mehr Sinnlichkeit und man kann beim Hören der Musik darin stöbern. Ganz fein gemacht, leider aber im Papiereinband, ist das beiliegende, 36seitige Buch mit allen Informationen zur Platte. Die Liedtexte sind in einer Schriftgröße, dass auch die frühen Pink Floyd Hörer diese entziffern können. Storm Thorgerson und Mark Blake, Herausgeber eines Buches über die Band, haben kurze Artikel beigesteuert. Auf der Oberseite steht der nette Satz "ceci n'est pas une boîte". Das ist Französisch und heißt auf Deutsch soviel wie: ,,dies ist keine Schachtel". Humor ist wenn man trotzdem lacht. Im Boden der Box liegen nun die wahren Schätze. 2 CDs und 2 DVDs. Zuerst gibt es die CD mit der Musik von "Wish you were here". Versprochen wird eine remasterte Version der Studioversion vom Originalalbum. Die Veröffentlichung ist sehr gut und überzeugt in allen Belangen. Allerdings bin ich im Besitz einer besseren Version. Und man fragt sich, warum man diese Qualität nicht hier einarbeiten konnte. Aber über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Und daher geht auch diese CD als audiophil durch. Die nächste CD ist ein besonderes Kleinod. Fast 67 Minuten lang, beinhaltet sie 3 Live-Aufnahmen aus einem Wembley-Konzert von 1974 in hervorragender Qualität. "Raving and drooling" und "You`ve got to be crazy" sind Prototypen zweier späterer Songs von der LP "Animals". "Wine glasses" ist nichts anderes, als der Arbeitstitel zu einer Alternativversion von "Shine on you crazy diamond". Dazu sollte man sich von David Gilmour die Dokumentation aus Rom anschauen. Dort nimmt er einen Trinkglasspieler von der Straße zu sich auf die Bühne. "Have a cigar" ist als alternative Version enthalten. Die Unterschiede zum Original sind hörbar, daher macht es Spaß, sich diese Version anzuhören. Das Highlight aber ist sicherlich "Wish you were here" mit Geige, welche Stephane Grappelli streichelt. Prädikat: absolut hörenswert! Die erste DVD beinhaltet datenreduzierte Versionen. Da sind zu nennen, ein Surround Mix mit 448 kpbs, oder mit 640 kbps. In den gleichen Auflösungen gibt es auch die Quattro Einspielung von früher. Und das ist nicht das Gleiche. Jedem Puristen kann ich nur empfehlen, sich den Quad Mix in 640 kbps anzuhören. Vorausgesetzt man besitzt eine Surroundanlage. Aber dann macht es richtig Spaß. Laufende Bilder sind nicht vorhanden, daher gibt es auch keine Altersbeschränkung. Welche bei der nächsten DVD bei 12 Jahren liegt. Warum die FSK sich dazu durchgerungen hat, bleibt mir ein Geheimnis. Keine entblößte Brust, keine Sexszene, keine grobe Gewalt stören die Erziehung jüngerer Kinder. Einmal wird ein Zeichentrickkopf durch eine Maschine abgehackt und der Kopf verwandelt sich in einen Schädel. Ich habe letzte Woche einer Dreijährigen aus Wilhelm Busch vorgelesen. Das war brutaler, ohne Altersbeschränkung. Wenn es um die Texte gehen sollte, hm, dann sollte auch das Hören eingeschränkt werden. Das Menu macht schon mal Spaß. Die Roboterhand, welche im Original auf dem geklebten Label der Langspielplatte zu sehen ist, schiebt sich tricktechnisch ineinander. Wie EMI allerdings auf eine Zeitangabe von 75 Minuten kommt ist mir schleierhaft. Ich habe gerade mal knapp 26 Minuten Material gefunden. Man kann aus 4 Filmen wählen. "Shine on you crazy diamond" Part I als Surroundmix. Eine ausgezeichnete Audioqualität schallt einem entgegen. Die eingespielten Bilder im 4:3 Format können diese Qualität nicht halten. Da dies aber die Filme zur damaligen Tour sein sollen, ist das völlig okay. Part I ist aber leider natürlich nur sehr kurz. Länger ist dann schon "Shine on you crazy diamond" als Langversion. Warum dann aber mittendrin ausgeblendet wird, ist recht fragwürdig. Die Trickfilmuntermalung versetzte mich aber in das typische PF-Feeling. Ein Blatt fällt herunter, verändert die Farbe, rollt sich zusammen und wird zu einem fallenden Menschen. Bei dem ausgespielten "Welcome to the machine" wird dann der Kopf abgehackt, siehe obige Anmerkung. Als Bonus ist dann ein 6 minütiger Kurzfilm von Storm Thorgerson noch dabei gepackt. Musikalische Sequenzen aus dem Album wurden irgendwie zusammengemischt, mit Filmgimmicks aus den 70er Jahren. Was allerdings zwischendurch das Prisma dort zu suchen hat erschließt sich mir nicht. Aber ich lasse dies unter künstlerischer Freiheit laufen. Durch die Zusammensetzung von Bruchstücken kommt hier leider keine Pink Floyd Magie auf. Hieraus resultiert ein vernichtendes Fazit: die DVD ist völlig verzichtbar. Wer einen Blu-Ray Player besitzt, kann die DVD getrost auf einem Auktionsportal verkaufen, oder sich an die Wand hängen. Das Loch für den Nagel ist schon da. :-) Denn eine Blu-Ray liegt auch anbei. Das Paperback ist ein wenig einfach gehalten, ohne Plastikeinband für die CD, allerdings ist das Foto schön. Dies ist der restlichen Ausführung nicht angemessen. Auf der blauen Strahlung gibt es den Surround- und Quattro-Mix in voller Auflösung. Dazu noch die Stereo Einspielung. Ich gestehe, dass ich mir nicht alles angehört habe. Aber der Quad-Mix von 1975 ist alleine schon ein Erlebnis für die Ohren. Die Videosequenzen sind dieselben wie auf der DVD, eine weitere Beschreibung ist nicht nötig. Einen Punktabzug würde ich bei den abgeschnittenen Videofilmen und bei dem Einband des Buches vornehmen. Da dies aber mit der Musik wenig zu tun hat, bleibt es bei voller Punktevergabe. Mir ist aber auch klar, dass dies immer subjektiv ist. Wer diese Scheibe immer mochte, mag sie auch jetzt und wird in der vorliegenden Ausgabe sein Glück finden. Wer "Wish you were here" noch nie mochte, oder aber auch nicht mehr, weil überhört, wird sich keinen Gefallen mit der geballten Ladung musikalischer Stücke aus dieser Zeitspanne tun. Allerdings sind die "Animals"-Vorläufer sehr hörenswert.
Klaus Bornemann
© Progressive Newsletter 2012