CD Kritik Progressive Newsletter Nr.74 (02/2012)

Surgery - Übermorgen
(80:34, Garden Of Delights, 1980)

Die Ruhrpottler Surgery aus Marl gründeten sich aus der Vorgängertruppe Torageru, nachdem deren Gitarrist Gerd Gitza (RIP) tödlich verunglückt war. Mit Herbert Klinger an den Saiten begannen Thomas Miebs (org, p, ts), Rüdiger Freitag (dr) und Rainer Daedelow (b) 1976 von vorn. Der Bass wurde alsbald an Udo Fuelhaas übergeben und peu á peu kamen weitere Musiker in die Band: Udo Custodis (ts), Jörg-Peter Podlasky (dr, perc, vib) und Alfred Gaudschun (perc). Im Laufe der Zeit und Auftritte wurde die Band immer besser, so dass man sich 1980 entschloss, eine Platte einzuspielen. Ende März 1980 wurden die 9 Stücke der LP im Bochumer Tonstudio Langendreer von Günter Henne (Epidaurus, Choice) aufgenommen, 500 LPs wurden angefertigt und bei Konzerten, in einigen Plattenläden in der Umgegend und im Freundeskreis verkauft. Über die Region hinaus erlangten Surgery kaum Bekanntheit und Resonanz. Surgery spielten Jazzrock, der zwei besondere Merkmale aufwies. Zum einen das ausgezeichnete Gitarrenspiel von Herbert Klinger, der die überwiegende Anzahl der LP-Songs (wie der weiteren Stücke der Band) schrieb, sein Instrument mit Verve und Dynamik spielte und einen schönen knackfrisch schneidigen Sound bevorzugte, der den Songs heute noch zeitlos gut steht. Zweites äußerst positives Merkmal ist die simultane Zusammenarbeit der beiden Schlagzeuger Rüdiger Freitag und Jörg-Peter Podlasky, die in Breaks und melodiösen Ausflügen unterschiedliche Wege gingen, in der Basis aber zusammen mit sattem Groove für die herzhaft aufgefächert differenzierte Rhythmuslandschaft sorgten. Weniger gut ist die Arbeit der beiden Saxophonisten gealtert. Beide sind keine Jazz-Saxophonisten (gewesen), spielten eher poppig als drahtig heavy, so dass ihr Erbe heute etwa wie Smooth Jazz klingt, was im soften Klang auf Latinbasis gar an Dancefloor erinnert. Die Keyboardarbeit Thomas Miebs' ist weniger ausgeprägt, indes nicht simpel, vor allem im gemeinsamen Spiel mit dem rasanten Arbeitstier Herbert Klinger. Als Bonus sind 10 weitere Tracks zu hören, so dass die CD eine Gesamtlänge von über 80 Minuten erreicht, nicht das erste Mal bei Garden of Delights. Die zwischen einer und fünf Minuten langen Bonusstücke sind zwischen 1977 und 1981 live und im Übungsraum eingespielt worden, haben gewiss einen weniger guten Klang, sind indes ohne größere Makel gut anzuhören. Die Bandbreite der Band wird in den Bonustracks nicht größer, aber interessanter. Die sämtlichen Eigenkompositionen haben Schmackes und präsentieren Surgery auf hohem Energielevel. Die Songs sind relativ komplex komponiert, da passiert einiges in den Stücken, und wieder einmal sind die Gitarrensoli von Herbert Klinger das besondere Bonbon. Im Booklet ist die Bandgeschichte, wie immer bei Garden of Delights, ausführlich nachgezeichnet.

Volkmar Mantei



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