CD Kritik Progressive Newsletter Nr.74 (02/2012)
Sunbirds - Sunbirds
(62:52, Garden Of Delights, 1971)
Die Münchner Jazzrock-Combo Sunbirds existierte von 1971 bis 1973. Zwei Platten wurden veröffentlicht, 1971 "Sunbirds" und 1973 "Zagara". Die Mitglieder waren gestandene Jazzer, die vom Zeitgeist des gerade aufkommenden Jazzrock begeistert waren. Österreicher Fritz Pauer (keys), seit den frühen Sechzigern Jazzpianist, komponierte einige Stücke, die er seinem Kumpel, dem deutschen Jazzdrummer Klaus Weiss, der mindestens eben so lange in der vielfältigen Jazzszene arbeitete, vorspielte. Pauer schlug auch den Bandnamen 'Sunbirds' vor. Der schwarze amerikanische Bassist Jimmy Woode spielte schon in den 50er Jahren für Louis Armstrong, Charlie Parker, Ella Fitzgerald, Miles Davis, Dizzy Gillespie, Sarah Vaughan und von 1955 bis 1959 in der Bigband von Duke Ellington. Philip Catherine (g), in England geboren und in Belgien aufgewachsen, war seit über 10 Jahren Berufsmusiker, der Niederländer Ferdinand Povel (fl), eigentlich Saxophonist, ebenfalls seit langem aktiver Jazzprofi. Die technisch versierte Truppe begründete die Band und spielte am 24.08.1971 in den Münchener Union-Studios acht Stücke ein, am Folgetag wurde abgemischt. Zwei Songs davon mussten, da die Spielzeit fast 63 Minuten betrug, weggelassen werden, die nun auf der CD wieder dabei sind. Der rein instrumentale Jazzrock, stark jazzgeprägt und von hoher Intensität und Spielkonzentration, ist ein erstklassiges, äußerst feines Beispiel für frühen europäischen Jazzrock. Alle Musiker kamen vom Jazz - und sollten überwiegend bald darauf auch wieder dahin gehen - und zeigten sich doch stark von der progressiven Rockmusik beeindruckt. Ganz entfernte Parallelen sind vielleicht im früheren Canterbury Sound zu finden, vielleicht sind die ebenso frühen Colosseum ein etwaiger, vager Vergleich, gewiss weit hergeholt, um aber in etwa darauf hinzuweisen, wie weit weg Sunbirds von allem sind, was damals Pop war. Alle Songs strahlen innere Ruhe aus, streben auf mantrengleichen Rhythmen wie in Trance dahin, episch und sphärisch ausgebaut, mit weit angelegten Motiven, über denen die Soli und Improvisationen der einzelnen Melodiearbeiter stehen. Fritz Pauer macht die wohl freakigsten Sounds, psychedelische, schräge und eigenwillige, dabei sehr inspirierte und nahe gehende Motive sind in der Tastenarbeit zu hören. Philip Catherine, ebenfalls nicht jazzfrickelig, eher kratzig im Off und im weiten melodischen Ausbau lyrisch und harmonisch unterwegs, macht einen konkreteren, kernigeren Eindruck als Pauers verrückt grandiose Keyboards. Povels Quer- und Altflöten haben den jazzigsten Anteil, melodisch und im Klang, die klassische Spielweise wechselt ins kratzig Jazzige, bleibt aber überwiegend, wie fast alle Struktur, im harmonischen Raum. Blues und Funk haben großen Einfluss. Gut und leicht zu hören, dass alle Beteiligten schon diverse Jazzstile gespielt hatten und vor eingängigen Sounds wie abgefahrenen nicht zurückschrecken. Die beste Komposition ist das markante "Sunshine", dessen knapp sieben Minuten nur ausgezeichnet genannt werden können, während "Blues for D.S." von Jimmy Woode mit seinem groovigen Funkmotiv am poppigsten und eingängigsten ist. Die - jetzt als Bonus angehängten - "Dreams" (9:42 Minuten), ein exzellentes, jazztriefendes und sehr intensives Stück sowie das rockige "Fire dance" (6:54 Minuten) mit ausgefallener Gitarrenarbeit Catherines ergänzen das feine LP-Material, vereinen die Sessions von einst. Bei weitem nicht die schlechten Songs der Aufnahmen, sondern hervorragende Stücke, kann von Glück gesprochen werden, dass die Aufnahmen noch vorhanden waren. "Sunbirds" enthält Rock von Jazzern im typischen Soundkleid der frisch frühen 1970er, als in dieser Szene noch alles möglich schien und kaum abzusehen war, welche grandiosen Alben in den folgenden Jahren entstehen sollten. Ein gutes Album, ebenso wie "Zagara", das von Garden of Delights demnächst auf CD veröffentlicht wird.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2012