CD Kritik Progressive Newsletter Nr.72 (97/2011)

Led Bib - Bring your own
(51:42, Cuneiform Records, 2011)

Stilistisch sind Led Bib kaum zu greifen und so haben sie schon alle möglichen Bezeichnungen und Titel bekommen. Da war von 'UK skronk-jazz-rock-punk-whatever' zu lesen, von 'anarcho-musicalists' oder 'groovy dirt-jazz'. Passt alles. Der Free Form Jazz Rock ist nicht so heftig, dass er ungeübte Hörer seines Faches sofort anstrengt, nicht stets; Jazz-, Rock- und Avantfreaks können die Kapelle gleichermaßen verehren, die Band nimmt verschiedene Einflüsse auf, gibt Rock'n'Roll und hartem Rock ebenso Gewicht wie freakigen Jazzbläsereskapaden auf Basis avantgardistischer Kompositionen, in denen drahtige und scharfkantige Melodien im Bandinterplay zerfasert und gemeinsam wieder aufgebaut werden. Wie auf "Sensible shoes" (2009) kann die Band sensible Harmonien entwerfen, aggressive Splitter in alle Richtungen fliegen oder fett schweren Orgelrock dröhnen lassen, darüber sitzen die schneidend harte Gitarre und das kratzig rüde Gebläse, angetrieben wird die Band vom volumigen, kraftvollen und in aller fetten Brachialität differenziert komplexen Rhythmusarbeit des Bass-Schlagzeug-Duos, das längst nicht allein für den Rhythmus und hier längst nicht für die 'Basis' zuständig ist, sondern im melodisch abgefahrenen Geschehen keine Gefangenen macht und mittut, dass es eine Freude ist. Die Orgel gesellt sich gern zum Rhythmus, bisweilen gar die ganze Band, rhythmisch exakte Unisono-Kanten zu zelebrieren, um daraus in alle Welt zu explodieren. Die Studioaufnahme "Bring your own" ist ein schön lebhaftes Gebräu, aber kein äußerstes. Die Band, das ist auch auf "Sensible shoes" zu hören, kann im Studio zwar schon mächtig Gas geben und dichte, radikale Harmonien energisch und vital basteln, doch live geht gewiss die Post ab, dynamisiert sich das expressive Geschehen im aufgebrachten Interplay zu wahren Orgien. Losgelassen, vor aufgeputschter Publikumsmeute, ist dieser Sound explosiv. Doch bis die Band ins heimische Dorf kommt, sind die Studio CDs der Truppe ein hinreißendes Stück radikaler Musik, die Jazz wie Rock auf die avantgardistisch komplexe Weise liebt. Die exzellente Handwerkskunst der Band in ihrer technischen Qualität und intuitiven Improvisationslust, im Aufbauen der Harmonien wie im Zerstören und Wiedererrichten macht ungemein Eindruck und ist nur zu empfehlen.

Volkmar Mantei



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