CD Kritik Progressive Newsletter Nr.72 (97/2011)
Gungfly - Lamentations
(56:04, Progress Records, 2011)
Rikard Sjöblom hat viele Gesichter. Als Beardfish, als Gitarrist im Cover-Auftrag von Frank Zappa - und als Unternehmer in eigener dritter Sache. Für Gungfly hat sich der Multiinstrumentalist die Haare stilgerecht geschnitten, um so auszusehen, wie das Alternative Publikum aussieht. Gungfly ist sein lärmiges Rockprojekt, das diverse Einflüsse heutiger Bands wie Foo Fighters oder Them Crooked Vultures absorbiert, zudem rockhistorische Qualitäten integriert hat, die irgendwo zwischen Elton John und 70s Hardrock stehen. 10 Songs sind auf der CD, songdienliche Stücke, hochmelodisch, oftmals im modernen Schrammelsound, der Songmelodien minimalistisch aufbaut und von Anfang bis Ende auf einem Energielevel unverändert pulsieren lässt. Mit Beardfish ist das Projekt kaum zu vergleichen, Gungfly setzt nicht auf instrumentale Weite, wenn hier und dort auch einige Schnörkel gesetzt sind und manches Arrangement so etwas wie Indie-Prog sein mag. Einen Longtrack gibt es, und hier findet schon einiges Instrumentale statt, die Betonung liegt jedoch wie bei jedem Song auf "Lamentations" im Liedhaften. Sjöbloms Stimme intoniert ausgiebige Lyrics, die im Booklet mitgelesen werden können, auf ansprechenden, indes nicht umwerfenden Gesangslinien stehen, die wie das ganze Album flach und emotionsschwach wirken. Ganz anders die Texte, die durchaus ansprechend und längst nicht blöd oder öde sind. "Lamentations" klingt weitaus mehr nach Prog, als der 2009er Vorgänger "Please be quiet", kommt im Genre aber nicht an, wenn diverse Farben und Arrangements auch ebenso funktionieren, etwa das komplexe Rhythmusspiel, das in den Klang gemixt wurde und nicht besonders wirksam rüberkommt. Da sind ebenfalls so etwas wie quietschige Mellotron-ähnliche Sounds im Off, die dem vielfachen Keysound keine besondere weitere Farbe geben. Zusammengefasst: der dezent "proggige" Poprock hat seine Momente, ist aber viel flacher und seichter als jedes andere Sjöblom-Projekt. Die DVD zur CD birgt ein 66 Minuten langes Konzert, das die Band ebenso seltsam unspektakulär und eindruckslos präsentiert, zudem nicht in guter Qualität, als Bonus ist das 'offizielle' Video zu "On and on" zu sehen, das ich lieber nicht offiziell genannt hätte. Gungfly ist eher nix für Old School Rockfreaks, wer Alternative-geübt ist, wird damit etwas anfangen können. Nicht ganz blöde, aber doch nicht eindrucksvoll.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2011