CD Kritik Progressive Newsletter Nr.72 (97/2011)
Sean Filkins - War and peace & other short stories
(68:36, Festival Music, 2011)
Ex-Big Big Train Sänger Sean Filkins veröffentlicht nach dem Mitwirken an der dritten Soloveröffentlichung des ex-Galahad Bassisten Lee Abraham im Jahre 2011 seine erste Soloscheibe. Hier griff er auch auf die Unterstützung von Lee Abraham zurück, der neben diversen Saiten- und Tastenbehandlungen die CD auch in seinem Studio produzierte. Anschließend wurden die Aufnahmen von Karl Groom in den Thin Ice Studios nachbearbeitet, sodass die Musik mit einem knackigen und luftigen Sound aus den Boxen ertönt. Außerdem ließ Filkins sich von renommierten Progrock-Musikern wie Gary Chandler (Jadis), Dave Meros (Spock's Beard) oder John Mitchell (It Bites, Frost, etc.) unterstützen. Die Scheibe fängt mit "Are you sitting comfortably" äußerst britisch an. Bei der Zubereitung des Tees wird dem Hörer nach der passenden Sendersuche im Radio das in England populäre klassische Orchesterwerk "Jerusalem" von Sir Hubert Parry in Auszügen geboten. Nach diesem originellen Intro fetzt die Musik von Sean Filkins direkt mit pulsierenden Rhythmen und flirrenden Synthesizerläufen los. Erinnerungen an Galahads "Empires never last" werden bei mir geweckt. Aber zügig wandelt die Atmosphäre in "The english eccentric" auch in gefühlvolle und melodische Klangräume, wie man sie von Filkins mit Big Big Train kannte. Insgesamt weiß der Track mit einigen Rhythmus- und Stimmungswechseln mich über seine neun Minuten gut bei Laune zu halten Auch die beiden folgenden Longtracks mit Laufzeiten von 30 und 21 Minuten bieten zuweilen abwechslungsreiche musikalische Kost, wobei eine Eingängigkeit der Kompositionen prägend ist. Sinfonische Melodien, getragene atmosphärische Klänge zwischen Ballade, Bombast und Dramatik, einige rockige und eruptive Ausbrüche sowie Artpoprhythmen prägen die Kriegs- und Friedenserzählungen. Ergänzend werden einige Sprach- und Geräuschsamples in die Kompositionen eingewoben. Außerdem sind orchestrale Keyboardflächen mit zuweilen pastoraler und himmlischer Stimmung das ein oder andere Mal zu vernehmen. Einen besonderen Reiz hat für mich die musikalische Darbietung auf "Prisoner of conscience, Part 1 - The soldier", wenn mit unter anderem Didgeridoo, Garima, Sitar oder einer Flamenco Guitar folkloristische Einflüsse geboten werden. Auch der wunderschöne Sirenengesang von Daisy Sammes auf "Epitaph for a mariner" fällt besonders auf und erinnert mich an die außergewöhnliche Musik der französischen Band Seven Reizh. Mit "Learn how to learn" schließt Filkins seine 69-minütige Hörreise durch einen eingängigen bis melancholischen Track, in dem wiederum Ethnogrooves und pastorale Töne eine Rolle spielen. Wer auf melodiösen Sinfonikprog im Stil von Big Big Train, Tantalus oder Pendragon steht und einen Gesang irgendwo zwischen frühen Phil Collins und Kai Marckwordt (Martigan) mag, dem ist "War and peace & other short stories" zu empfehlen. Für meinen Geschmack hätten mehr Brüche und moderne Elemente wie auf "The english eccentric" dem Werk noch mehr Farbe verpassen dürfen.
Wolfram Ehrhardt
© Progressive Newsletter 2011