CD Kritik Progressive Newsletter Nr.72 (97/2011)
Factor Burzaco - II
(41:58, AltrOck Productions, 2011)
Das ist das zweite Album von Factor Burzaco. Es heißt "II". Stimmiger Titel, finde ich... Spaß beiseite; ich kenne das erste Album der Band nicht, aber was sich hier einmal mehr auf dem AltRock-Label tummelt sucht seines gleichen. Ein kammerorchestraler, freiförmiger Sound, begleitet von unaufgeregtem Rock-Instrumentarium wird auf dem Album geboten. Abel Gilbert hat der argentinischen Band Stücke auf den Leib geschrieben, die teils minimalistisch, teils schräg und experimentell aus den Boxen fließen, dabei aber nie in sinnloses Gedudel ausarten. Zumindest empfinde ich die Kompositionen als stimmig. Dabei erinnert der Gesang von Carolina Restuccia mehr als einmal an Björk und verleiht der Sache Widererkennung. Hinzu kommt eine gefühlte Nähe zu waveigen Sounds der 80er Jahre. Das ist schwer zu vermitteln, aber trotz völlig anderer Kompositions-Struktur strahlt die Musik eine Düsterkeit, vielleicht doch eher Traurigkeit aus, die an "Faith" oder "Pornography" von The Cure denken lassen. Alles in allem geht es aber sehr reduziert zu. Mal wird eine Gitarrensaite zum Vibraphon angeschlagen, mal hört man ein Blas-Instrument zum Akkordeon, der expressionistische, spanische Gesang ist sehr präsent und hält das Getue zusammen. Immer wieder mal gibt es kurze Ausbrüche des Schlagzeugs, der Gitarre, des Bass... Das hat dann schon fast wieder etwas von Techno Metal, wie man ihn z.B. bei Watchtower hören kann. Doch dann geht es unversehens mit einer extrem ruhigen Passage weiter und man wähnt sich in der Spätphase von Talk Talk. Zu allem Überfluss gibt es dann auch noch eine Sprech-Passage in "Guantanabu I", die an Musik-Programm-Theater erinnert. Im Normalfall fällt bei "Narration" der Vorhang, doch das hier ist exotisch, seltsam, sehr experimentell vorgetragen, faszinierend. Pol Gonzales spricht 4 oder 5 Charaktere und Carolina Restuccia ergänzt mit gimmickhaften, gemeckerten Einwürfen. Das Stück kulminiert in moderner Klassik, oder dem was ich dafür halte. Contrabass, Percussion angedeutete Bläser-Sätze, reduziert, zurückhaltend, dennoch nicht abweisend. "Guantanabu III" könnte sich ohne weiteres auf "Island" oder "Lizard" von Crimso wiederfinden. Verwirrend, ich weiß! Aber wollen wir uns von Musik nicht gerne verwirren lassen? Es lässt sich sehr schwer in Worte fassen, was dieses Album ausmacht, welche Art von Musik es anbietet, welchem Genre es zuzuordnen sein soll. Das ist Avantgarde und die Unabhängigkeit des Sounds scheint ein wesentliches Interesse des Komponisten gewesen zu sein. Eventuell ist das auch der Grund, warum Abel Gilbert selber kein Instrument auf dieser Scheibe spielt. Viele Elemente sollten es schwer machen, dieses Album schön zu finden. Dennoch kann ich mich der magischen Zugänglichkeit dieses Tonträgers nicht entziehen. Ein Widerspruch, so scheint es. Aber dieses Album ist von Widersprüchen geprägt und gerade das begeistert auf der ganzen Linie. "Factor Burzaco II" ist ein weiteres Juwel auf dem aktuell interessantesten Avant-Label AltRock. Auf eine unbestimmte Weise empfinde ich das Album jetzt schon als Klassiker. Es ist einfach großartig!
Fix Sadler
© Progressive Newsletter 2011