CD Kritik Progressive Newsletter Nr.72 (97/2011)
Agent Fresco - A long time listening
(64:15, Record Records, 2010)
Machte Island in den letzten Monaten vor allem durch negative Schlagzeilen wegen eines wohl gerade noch abgewendeten Staatsbankrotts von sich reden, so scheint die kleine, aber feine Musikszene vor Ort davon gänzlich unberührt. Neuester Exportschlager: Agent Fresco, die mit ihrem Debüt "A long time listening" in der heimischen Presse schon als die beste aktuelle Rockband Islands abgefeiert wurden und bereits bei den Icelandic Music Awards einige Preise abräumen konnten. Doch auch im Ausland ist man bereits auf die Nordlichter aufmerksam geworden, so dass sie im Sommer auf dem prestigeträchtigen Roskilde Festival auftreten werden, sie Anfang April ebenfalls im WDR Rockpalast zu sehen waren. Agent Fresco ist es gelungen, mit "A long time listening" ein ambitioniertes, überaus vielschichtiges Konzeptwerk abzuliefern, das diverse Genres kunstvoll verschmilzt. Man tut sich nicht leicht, das Gehörte in übliche Schubladen zu stecken. Erklärungen wie auf der Rockpalastseite "Agent Fresco kommen aus Island und spielen komplexen, polyrhythmischen Rock mit Jazz -und Funkeinflüssen" oder Pressezitate wie "eruptive Auftritte, die stilistisch von Jazz, Pop, Rock bis hin zu Hardcore reichen" versuchen, es irgendwie auf den Punkt zu bringen. Oder um es mit eigenen Worten zu umschreiben: die inhaltliche Breite reicht von modernem Alternative Rock mit mächtigen Melodiebögen über fragile Akustikpassagen mit falsettartigem Gesang bis hin zu verzwirbelten, expressiven Instrumentalpassagen mit heftigen Gitarrenriffs und anstrengender Vokalakrobatik. Doch die 17 Titel offenbaren auch, dass man ausgiebige Abwechslung in recht kompakte Formate packen kann. Harmonie und Komplexität, Schönheit und Anspruch können ebenfalls für einen breiten Markt funktionieren. Derzeit ist es leider noch etwas schwierig, in unseren Breiten an dieses Album heranzukommen, aber vielleicht tut sich ja nicht nur durch den Rockpalast Auftritt etwas, so dass man auch hierzulande einen ordentlichen Vertrieb findet. Tolle Entdeckung!
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2011