CD Kritik Progressive Newsletter Nr.72 (97/2011)

Dynamo Bliss - 21st century junk
(41:09, Aerodynamic Records, 2010)

Als ich mal wieder ziemlich orientierungslos im Netz herumschnüffelte, stieß ich zufällig auf eine Band, deren Namen ich bisher noch nie gehört hatte. Soweit nichts Ungewöhnliches. Was allerdings mein Interesse weckte, war die Tatsache, dass ihre Musik unter anderem mit der von Moon Safari verglichen wurde. Für mich ein Grund, mich mal etwas intensiver um diese Band zu kümmern. Es dauerte knapp eine Woche, und ihr Debütalbum lag auf dem Tisch. Und mein Eindruck von den kurzen Momenten, die ich mir im Internet angehört hatte, wurde bestätigt: bei "21st century junk" handelt es sich um ein sehr schönes Album und eine gelungene Debütscheibe, die vor allem das Interesse der Melodic Prog Freunde wecken sollte. Der kurze Eröffnungstrack ist von einem Umstand begleitet, den ich hasse: man hört eine Melodie und assoziiert damit sofort etwas, doch man kommt ums Verrecken nicht darauf, an was dies einen erinnert. Irgendwann kam ich dann doch darauf: das auf Piano und Gesang reduzierte Stück klingt wie eine Nummer von Stackridge. Das darauf folgende "Fear of clouds" ist gleich einer meiner Topfavoriten dieses Albums. Jetzt kommt Gitarre hinzu, sehr angenehmer Lead-Gesang und ausgefeilte backing vocals, die zwangsläufig an die Qualitäten von Moon Safari erinnern, nur dass Dynamo Bliss numerisch klar unterlegen sind. Dieser Song steht mustergültig für die Musik der jungen Schweden. Daher sei gleich vorneweg gesagt, dieses Album ist ungeeignet für Freunde schräger Töne oder die Hardrocker-Fraktion. Im Gegensatz dazu sollten sich Fans hochmelodiöser Töne im Stile von Moon Safari sofort angesprochen fühlen, denn dies stellt eindeutig das Zielpublikum dar. Dass auch progressive Elemente eingebunden sind, zeigt gerade dieser Song. Gegen Mitte des Songs erinnert der Gitarrenpart schwer an den Endteil von "Starship trooper", während die Keyboards auch Parallelen zum Machiavel-Klassiker "After the crop" aufweisen. Den Abspann des Songs bildet ein apartes Mellotronarrangement. Tolle Nummer! Danach folgt ein Song, den ich nur so gerade eben durchgehen lassen kann. Vokabeln wie "schubiduah" sind dem Prog-Freund eher fremd und so sind Teile dieses Liedes doch eindeutig zu weich gespült, doch zum Glück ist das nur ein relativ kurzer Ausrutscher. Natürlich sind sie manchmal etwas soft unterwegs, aber zum größten Teil sind ihre Arrangements sehr geschmackvoll geraten und machen das Hören durchaus zum Genuss - vorausgesetzt, man ist gerade in der Stimmung für diese Art von Musik. Es folgt mit "No sense in it" und "Thin air" die am stärksten an Pink Floyd zu "The dark side of the moon" erinnernde Phase des Albums. Während im einen Song Effekte à la "Money" eingebaut sind, begeistert in "Thin air" speziell das wunderbare Gilmour-mäßige Gitarrenspiel von Mikael Sandström. Man merkt hier: sehr feine Saitenarbeit gehört definitiv auch zum Repertoire der jungen Schweden, ergänzt durch unspektakuläre, aber sehr apart eingesetzte Keyboardarrangements, unter anderem auch am Mellotron, das sehr gut zur gebotenen Musik passt. Und was sich schnell als entscheidendes Merkmal herausstellt: sie haben ein gutes Gespür für feine Melodien, so dass sich so manche Gesangslinien sehr schnell in den Gehörgängen festsetzen können. Diese ausgeprägte Harmonieverliebtheit und das Faible für Gesangsarrangements geht ein wenig zu Lasten instrumentaler Soloeinlagen, die auf diesem Album eher rar gesät sind. Was etwas schade ist, denn sie sind sicherlich in der Lage, noch mehr instrumentale Gegenpole zur Gesangsdominanz zu setzen. Von daher sind Dynamo Bliss sicherlich auf ihrem Erstling gut mit dem aktuellen Moon Safari Output vergleichbar, wo ja auch eben diese Gesangsmacht sehr ausgeprägt ist. In "Mausoleum" zeigen sie am Ende des Songs auch mal ganz schüchterne Ansätze von leicht schrägeren Tönen, was sie zukünftig gerne mal etwas selbstbewusster intensivieren dürfen, denn auch hierzu sollten sie in der Lage sein. Ich bin mir sicher, dass hier auf zukünftigen Alben noch einiges an zusätzlichem Potenzial herauszuholen ist. Eine weitere, sehr viel versprechende Truppe aus Schweden, die ich jedem Fan von Moon Safari dringend ans Herz legen möchte.

Jürgen Meurer



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