CD Kritik Progressive Newsletter Nr.72 (97/2011)
D Project - Big face
(51:01, Zéta Productions, 2011)
Mit "Big face" veröffentlicht der franco-kanadische Gitarrist, Keyboarder und Sänger Stéphane Desbiens mit seinem The D Project (D steht für Desbiens) die dritte CD. Wie schon bei den beiden vorherigen Veröffentlichungen gibt es auch auf diesem Werk einige bekannte Musiker aus der Progszene zu hören. So wirken unter anderem Tony Levin, Quidam Leadsänger Bartek Kossowicz oder der von mir sehr verehrte schwedische Keyboard-Wizard Lalle Larsson mit. Typisch für die bisherigen Werke von The D Project ist neben den mittelmäßigen englischsprachigen Gesangsleistungen ihres Kopfes ein reichhaltiger Mix aus verschiedenen Musikstimmungen und -stile. So wandelt Desbiens mit seinen Musikern auch auf "Big Face" zwischen Genres wie Sinfonic- und Neo Prog, Jazz-Fusion, Hard Rock, AOR und sogar etwas Elektronik-Pop. Da er die Kompositionen außerdem nicht monoton und vorhersehbar interpretiert, kommt zu dem Stilmix eine musikalisch atmosphärische Vielfalt hinzu, die erst mal verdaut werden muss. So wandelt der Eröffnungstrack "They" spielerisch von sphärisch-floydschen Klangwolken in rockig-sinfonische Rhythmen, um sich anschließend in Elektro-Pop Gefilden zu tummeln, wobei jazzige Elemente sich ebenfalls aufdrängen. Balladeske und akustisch dargebotene Töne ("Anger I & II"), bombastisch-dramatische sowie düster-melancholische Soundgewände ("Big face"), rockig- frickelige Strukturen ("Conspiracy") als auch schräge Rhythmen mit weiblichen Lautmalereien ("Macondo") sind weitere Markenzeichen von "Big face". Instrumental-musikalisch gibt es an den neun Kompositionen nichts auszusetzen, ganz im Gegenteil, immer wieder kann man die Qualitäten der Musiker vernehmen. Neben dem fähigen und überwiegend rockig geprägten Gitarrenspiel des Protagonisten gefallen mir vor allem die Saxophoneinlagen von Giovany Arteaga, die seltenen aber schönen Violinenlaute von Sandra Poulin und William Foy und das gefühlvolle und virtuose Keyboardsolo von Lalle Larsson auf "Poussiere de lumiere". Sowieso ist der Schlusstrack mein Lieblingsstück, da hier mit dem verzaubernd chansoneskem Gesang von Claire Vezina sowie der emotionalen Dichte der Komposition, gepaart mit der vorzüglichen Instrumentenbehandlung, der Geist der über 40jährigen progressiven Seele der Quebec-Szene am authentischsten eingefangen wird. Als Schmankerl gibt es dann noch für den Computer zwei Videos über 3:48 Minuten und 3:45 Minuten von dem AOR-Track "Don't tell the kids" und dem treibenden Synthierocker "So low". Trotz aller beschriebenen Vielfältigkeit dieses Werkes erreicht mich die Musik zu selten in meinem emotionalen Zentrum. Es liegt genau an diesem musikalischen Sammelsurium, dass es mich über 51 Minuten zur richtigen Begeisterung einfach zu wenig zu packen weiß.
Wolfram Ehrhardt
© Progressive Newsletter 2011