CD Kritik Progressive Newsletter Nr.72 (97/2011)

Cryptex - Good morning, how do you live?
(56:43, SAOL / H'Art / Zebralution, 2011)

Good Morning Viet... nopes, Salzgitter! Die aus dem Raum Salzgitter / Braunschweig stammende Combo bastelt nicht erst seit dem School-Jam-Contest 2009 konkret an der Rock-Karriere (sie gewannen das Regionalfinale Hannover vgl. auch Interview weiter vorn). Für den Rezensenten bislang eine der stärksten Scheiben des Jahres. Diese Morgengabe bläst einfach weg mit einer melodiebesoffenen Pracht von 16 Tracks, die eine Mischung aus wirklich vielem sein könnten, was aus den Siebziger Jahren stets noch hörenswert ist. Da wechselt pianogetriebener Rock ("Hicksville...") sich ab mit zeitlos rundumerneuertem BritPop ("Dance of the Strange Folk"), mit zauberhaftem Abgehrock ("Bagheera"), handclaps-getriebenem Flamenco ("Gypsy's lullaby"), Reggae ("Camden Town"), konstruktivem New Orleans-Bläsersatz-Irrsinn ("The big easy") und Heavy Desert / Southern Rock (das Intro zu "Most loveable monster"). Über allem schwebt Simon Moskons fabelhafte Stimme, die man vielleicht als eine angenehmere, unknödelige und variantenreichere Variante von Dennis DeYoung (Styx) beschreiben könnte (vgl. den Tearjerker "Mom" oder den nur von ihm stammenden phantastischen Satzgesang auf "Alois"). Das Ganze wird mit offensichtlichem Vergnügen, Humor ("Intro") und selten gehörter Instrumentierung (Didgeridoo, Cajón, Sansula / Lamellophon, viel exotischer Percussion, gelungene Streicher-Arrangements) dargeboten. Die intelligenten Texte und pfiffigen Titel ("A colour called gently") sowie das nicht auf jeder Seite unbedingt ästhetische, aber stets originelle Artwork tun ein Übriges. In Summe eines der tollsten Debütalben (wenn man die EP "Even nature will be thrilled" vernachlässigt), das man je gehört hat - Good morning, how did you manage to live without this record all of your life?

Klaus Reckert



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