CD Kritik Progressive Newsletter Nr.72 (97/2011)

Credo - Against reason
(69:45, Festival Music, 2011)

Wer 80er oder 90er Jahre Neo Prog von Marillion oder Arena mag, sollte sich die neue Scheibe von Credo anhören. Denn die Briten machen dort weiter wo diese Bands jener Zeit aufgehört haben. Da wird gesungen wie Fish oder Paul Wrightson, da gibt es breite Clive Nolan Keyboard-Teppiche und -Flächen, und zwischendurch komplettieren manch gefühlvolle Gitarrensoli das Gesamtbild. Immer wieder kommen die unverkennbare Marillion / Arena- Akzente zur Geltung, auch sind Atmosphäre, Bombast oder Stimmung sehr stark an diese Bands angelehnt. Überraschungen kann man beim Abspielen der 8 Titel somit keine erleben. Trotz allem liefern Credo ein respektables Handwerk ab, und Sänger Mark Colton überzeugt mit ausdrucksstarker Stimme. Die Songs kommen weitgehend geschmeidig, bedächtig und nachdenklich daher. Es geht um die Schattenseiten des menschlichen Lebens: Hungersnöte, unsinnige Zerstörung der Natur, religiös motivierten Krieger, Umweltkatastrophen, profitgeile Politiker usw. Dies wird alles sehr düster, giftig und bewegend beschrieben - leider auch beklemmend aktuell. Dennoch vermisse ich zu solchen Inhalten eine etwas stärkere musikalische Dynamik, um die Dramaturgie noch mehr in den Vordergrund zu heben. Dafür schlagen die fünf Musiker mehr in die hymnische Kerbe, was manchmal zu nervigen Längen führt. Wie beispielsweise beim Schlusstrack "Ghosts of yesterday", dort bekommt man immer und immer wieder den gleichen Refraingesang unter gleich bleibender Wohlklang-Fassade vorgesetzt, was somit schnell an die Schmerzgrenze geht. Natürlich lässt sich darüber streiten, ob die bereits erwähnten Ähnlichkeiten zu Marillion und Arena zu groß sind. Wie auch immer man das bewerten mag, unterm Strich geht "Against reason" schon in Ordnung, es ist ein inhaltlich ambitioniertes Werk, dem aber die musikalisch Eigenständigkeit fehlt - klassisch konservativer Neo Prog eben.

Andreas Kiefer



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