CD Kritik Progressive Newsletter Nr.72 (97/2011)

Comedy Of Errors - Disobey
(68:30, Privatpressung, 2011)

Wenn es eine Band schafft, nach über 20-jähriger Pause ein neues Album bzw. ihren ersten echten Longplayer aufzunehmen, ist auch genügend Platz für eine Doppelkritik: Hand aufs Herz: Wer kennt Comedy Of Errors? Man muss bis ins Jahr 1985 zurückgehen, damals buhlten die Schotten im Schatten-Dasein von Pallas und Marillion um die Gunst der Neo Prog Hörer. Geschafft haben Sie es allerdings nicht so Recht, und somit löste sich die Band schon bald wieder auf. Nach rund 23 Jahren folgt nun der Comeback-Versuch in fast gleicher Bandbesetzung. Natürlich atmet die neue Scheibe völlig den Geist des 80er Neo Progs. Zuweilen klingt, nicht nur wegen den Gesangsähnlichkeiten zu Nick Barrett auffällig vieles nach den ersten Pendragon-Veröffentlichungen. Somit entkommt das Album nur selten der Gleichförmigkeit vieler Neo Prog-Platten und hangelt sich irgendwo an längst abgedroschenen Mustern entlang. Ab und an gelingt es aber aus diesem Schema mit etwas rotzigeren Momente durch Gitarre oder klassischen Orgelparts auszubrechen. Solche Momente tun "Disobey" gut. Weitere Pluspunkte sind die handwerklich solide Umsetzung, der ordentliche Sologesang von Joe Cairney, und ein professionell klingender Gesamtsound. Gut gemeint ist die Stilveränderung bei zwei der insgesamt neun Tracks, hier ist erdiger Melodic Rock zu hören - wenn gleich die Stücke nach einmaligem Hören in der Belanglosigkeit versinken. Ansonsten ist das Album ein gut gemeinter Versuch, über der sich die Zielgruppe durchaus freuen darf. Der Rest sollte die Scheibe aus den besagten Gründen besser ignorieren.

Andreas Kiefer

"Hello and Welcome to another show, if you switch off now you may never hear my voice again..."; singt John Carney gleich zu Beginn des ersten Full-Length-Albums der Schotten Progger Comedy Of Errors. Zieht man die Geschichte der Band in zu Rate, könnte das eine "self-fullfilling prophecy" sein. Die Band wurde Mitte der 80er Jahre gegründet, spielte in der dritten oder vierten Reihe des Progrevivals bis 1989 drei Demotapes ein und verschwand genau so unauffällig wieder von der Bildfläche. Damit verschaffte sie sich in der Szene aber durchaus kultige Verehrung. Marillion, Twelfth Night und Pallas hatten es zu Major-Deals gebracht, IQ und Pendragon immerhin zu Semi-Prominenz. Da blieb Bands für wie Abel Ganz, Ark, Castanarc oder eben Comedy Of Errors nur der tiefe Untergrund. Es ist fraglich was aus den Bands bei vernünftiger Vermarktung geworden wäre, aber vielfach darf man den Eindruck bekommen, dass sie weder kompositorisch noch spieltechnisch geringer einzuschätzen waren als die Aushängeschilder des Genres. Der klassische, schottische Neo Prog zeichnete sich durch enorme Wucht und einem Hang zu hardrockigen Elementen aus. Kürzere Stücke, weniger Keyboardflächen, dafür aber ein knackiger Bass und gerne auch mal verzerrte Gitarren bestimmten das Soundbild. Sänger mit engagiertem Gesang rundeten das Bild ab. Als Beispiel darf man "Gullible's travels" von Abel Ganz oder "The knightmoves" von Pallas in die Runde werfen. In dieser musikalischen Schnittmenge veröffentlichte Comedy of Errors drei Tapes mit jeweils rund 20-25 Minuten Spielzeit. Später wurden zwei dieser Tapes (Comedy Of Errors - auch als Mini-Vinyl - und "24 hours") auf der selbstbetitelten CD von dem semioffiziellen Label MSI als Zusammenstellung veröffentlicht. Damit schien das Kapitel abgeschlossen. Aus dem nichts erscheint im Juni 2011 das Album "Disobey". Über 20 Jahre nach dem letzten Lebenszeichen der Combo finden sich die Originalmitglieder Mark Spalding (Bass, Gitarre), Jim Johnston (Keyboards) und Mark Cairney (Vocals) unter Zuhilfenahme von Drummer Bruce Levick und Ex-Abel-Ganz Hew Montgomery zusammen. Und diese Truppe spielt "Disobey" ein als habe es die letzten 25 Jahre nicht gegeben. Klassischer Neo Prog wird auf dem Album geboten. Geschmackvoll produziert, mit all den Fürs und Widers, die diese Spielart des Prog begleiten. Symphonischer Hardrock vermengt sich mit vielteiligen Tracks mit Spielzeiten bis zu 9 Minuten. Kirmes-Musik und Andeutungen von klassischen Elementen werden verwoben. Die Betonung liegt auf der Melodie und gutklassigem Rock. Ausschließlich neue Stücke wurden für das Album verwendet, mit einer Ausnahme, nämlich dem zentralen Comedy-Of-Errors-Track "The student prince Part I". Allein die Aussicht auf diesen "Klassiker", der Stücken wie "Forgotten sons", "Sanctuary" oder "Widow's Peak" in nichts nachsteht, dürfte den geneigten Neo Prog-Fan in Verzückung versetzen. Doch auch "Disobey" mit seiner angedeuten Modernität und Produktionsgimmicks, das Mini-Drama "Carousel" und das wunderschöne "Could have been yesterday" können Freunde des Genres in Bann ziehen. Natürlich muss man eine gewisse Neigung zu den Klassikern der 80er Jahre haben, all zu archetypisch und konsequent rückwärtsgewandt agiert die Band auf der Platte. Die 3 bisher unveröffentlichten Teile der Student-Prince-Suite gehen da quasi als willkommene Zugabe durch und blähen den Monstertrack auf 25 Minuten auf. Leider hatte die Band nicht die Absicht die Teile elegant zu verbinden, weshalb man sie auch als lose Themen-Sammlung betrachten darf. Das sind aber Kleinigkeiten, über die ich mich aufregen mag. Ich denke, ich habe genug Stichworte für den geneigten Leser geboten. Wer sich in die 80er Jahre zurückversetzen lassen möchte (und manche werden schon den Gedanken mit Grausen aufnehmen, manche aber auch nicht...) und eine klassische Neo Prog-Band im Jahr 2011 hören mag, der sollte nicht zögern dieses gutklassige Album zu erwerben. Comedy Of Errors gehört zu den Bands, die so einen "Quatsch" machen dürfen, da diese Musik Teil ihres natürlichen Selbstverständnisses ist. Damit ist das Gebotene authentischer als all die rückwärtsgewandten Epigonen, die immer noch Marillion & Co. nacheifern. Und; Comedy Of Errors haben ihre eigene Nische im Genre. Der Widererkennungswert ist hoch, das ist etwas, was nicht viele Bands aus dem aktuellen Neo Prog von sich behaupten können.

Fix Sadler



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