CD Kritik Progressive Newsletter Nr.72 (97/2011)

Bryan Beller - Wednesday Night Live
(59:48, Onion Boy Records, 2011)

Eine knappe Stunde lang ist das Livealbum, das der außergewöhnlich begabte Bassist Bryan Beller und seine Kumpels Rick Musallam (g, left channel), Joe Travers (dr), Mike Keneally (keys), Bryan Beller (b) und Griff Peters (g, right channel) perfekt eingespielt zeigt. Die Crew hat am 15. September 2010 im 'The Baked Potatoe' in Los Angeles aufgespielt, die beiden Bonustracks am Ende der CD hat die Crew ebenfalls in LA eingespielt, einmal am 22. Januar 2009 am gleichen Ort, einmal am 06. März 2007 "auf einem Gig". Von Anfang an legt die Band/das Album gut los. Nach einem kurzen Intro, das der eher wortkarge Bryan Beller vorträgt, arbeitet die Band herzhaft und energetisch. Rein instrumental aktiv, werden die ausgedehnten Songs handwerklich äußerst versiert gespielt. Solo reiht sich an Solo. Joe Travers spielt druckvoll und energisch, übt mit lockerer Hand komplexe Rhythmen und federt dynamische Breaks ohne Unterlass, Bryan Bellers Soli sind die jazzigste Partie, klang verfremdet und raffiniert macht seine Bassarbeit einen ausgezeichneten Eindruck, die beiden Gitarristen haben unterschiedliche Handschriften und sind nicht nur durch die Kanallage gut zu unterscheiden. Besonders gefällt mir Rick Musallam, der schneidend scharf zu spielen weiß, darüber hinaus hochmelodisch, in extravagant ausgefallenen Melodielinien ein sauberes Impro-Spiel vorlegt, während Griff Peters jazziger und bluesiger arbeitet, knifflige Parts dreckiger präsentiert und nicht die schneidend schärfste, sondern intimste Spielweise übt. Mike Keneally legt im längsten Track "Love terror adrenaline / Break through" die Tasten beiseite und schnappt sich die dritte Gitarre; was da abgeht, ist kaum fassbar, schon alle Songs vorher (wie die nachfolgenden) haben ungemein Idee und Energie, aber hier werden alle Zügel fahrengelassen, der Jazzrock kocht auf höchster Flamme, die Intensität ist enorm, die Spielweise äußerst präzise und dreckig zugleich und das melodische Fahrwasser türmt sich zu Bergen auf. Die Wellentäler dazwischen nutzt die Band, sich zu sammeln und erneut hoch aufzufahren. Stilistisch ist Bryan Beller (alle Kompositionen stammen aus seiner Feder) knietief im komplexen Jazzrock unterwegs, der dicht an Hardrock arbeitet und jede Menge komplexe Progressionen abfährt. Die Band ist weitaus mehr Rock als Jazz und lässt der Fusion kaum schöngeistige Lyrik, das Konzert ist schön hoch getourt und intensiv, die Band so ineinander verzahnt und aufeinander eingespielt, dass die Inspiration eines jeden in der Band genial auflebt. Für Fans ein grandioses Fressen, sind vor allem die Progressiven unter den Jazzrockern angesprochen, sich dieses feine Kunststück zu Gemüte zu führen und erlesene Verzückung zu erleben.

Volkmar Mantei



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