CD Kritik Progressive Newsletter Nr.72 (97/2011)

Banda Do Sol - Tempo
(61:49, Privatpressung, 2010)

Nachdem ich schon seit Monaten versuchte, das Reunionalbum der brasilianischen Sinfonik-Progger irgendwo in der Welt zu ordern, trafen nach dem Fund der CD beim amerikanischen Mailorder LaserCD fast zeitgleich noch weitere südamerikanische und spanische Progrockscheiben bei mir ein. Und zu meiner Freude auch noch auf ansprechendem Niveau, was gerade bei den Gesängen aus diesen Bereichen unserer Erde für meinen Geschmack nicht selbstverständlich ist. Damit sind wir schon bei einer der vielen erfreulichen Eigenschaften der seit 2010 von der Band selbst vertriebenen CD "Tempo". Der gefühlvolle portugiesische Gesang mit sonorer Stimme ihres Masterminds Moacir Jr. ist so angenehm und stimmig zu den Kompositionen passend, dass ich endlich mal wieder von einem mir unbekannten Sänger einer Progband angetan bin. Zusätzlich weiß mich die abwechslungsreiche musikalische Darbietung mit vielen Stimmungs- und Rhythmuswechseln zu gefallen. Das ausgezeichnete Soundmixing des ehemaligen Yes-Mitstreiters Billy Sherwood ist nicht nur an der hervorragenden Klangqualität zu hören, sondern dringt auch in der melodischen und zuweilen poppigen Kompositionsgüte durch. Dabei hört man dann auch Reminiszenzen an die Beatles mit feinen Mellotronklängen ("Quem eu sou"), an Supertramp ("Praca da paz") oder an Toto ("Som do sol"). Auf der anderen Seite wissen Banda Do Sol aber auch komplexer und eruptiver zu agieren, sodass ich an die besseren Kompositionen von Martigan, Arena, PFM, Tantalus oder Yes erinnert werde ("Yes Blues", "Voar", "Tempo" oder "Sinal da liberdade"). Bei "Sinal da liberdade" hat ergänzend ein indischer Touch durch Instrumente wie Sitar, Tabla und Tambura seinen besonderen Reiz. Auf diesem Track hört man übrigens Billy Sherwood an der Gitarre, wie auch auf dem Stück "Fabito". Auf dem Instrumental "Fabito" musizieren die Brasilianer schon fast funky-jazzig mit groovigen Keyboard- und Gitarrensoli, sodass man eine andere Band vermuten könnte. Und die Sonnenkomposition "Maya" steigert sich hörenswert von melodisch-lieblichen Tonreigen zu einem anfangs sphärischen Instrumentalpart in temperamentvolle Keyboard- und Gitarrensololäufe. Zum Abschluss bieten uns Banda So Sol noch zwei Livetracks, wobei das mit gekonnten Saitenläufen garnierte getragene Instrumental "Mahavishnu" einen würdigen Abschluss einer rundum gelungenen Veröffentlichung darstellt. Soundästheten ist die bestens aufgenommene CD ebenfalls zu empfehlen, wozu wohl nicht nur Billy Sherwood am Mischpult, sondern auch der kalifornische Master-Papst Joe Gastwort mit seiner Arbeit im Oceanview Studio beigetragen haben. Klangauszüge gibt es bei MySpace.

Wolfram Ehrhardt



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